Sieben selbstkritische Thesen gegen das Beförderungswesen

 

 

Horst Häuser und Udo Hochschild

 

Sieben selbstkritische Thesen gegen das Beförderungswesen

 

„Tragende Säulen“ des hierarchischen Justizsystems sind das Beurteilungs- und Beförderungs(un)wesen. Bei aller grundsätzlichen Kritik am Beförderungswesen ist selbstkritisch festzustellen:

1. Auch wir bedienen uns im Beförderungswesen in systemimmanenter Weise solcher Mechanismen, die wir immer abgelehnt haben.

2. Auch wir reproduzieren und perpetuieren durch unsere Teilnahme am Beförderungssystem die hierarchischen Strukturen, die wir eigentlich durch demokratische Strukturen ersetzen wollen.

3. Auch wir zeigen durch unser Handeln keine Alternativen auf, sondern vermitteln nach außen den Eindruck, daß wir ‚ trotz anders lautender verbaler Erklärungen – letztlich das gleiche tun wie die anderen, und verspielen damit Glaubwürdigkeit.

4. Auch wir verdrängen unsere eigene Korrumpierbarkeit und daß auch wir uns durch den mit Beförderungen verbundenen Machtzuwachs verändern können.

5. Auch wir vergessen, daß selbst von Beförderungsämtern, die wir innehaben, Anpassungsdruck ausgeht.

6. Auch wir stützen sowohl durch das „Streben nach“ als auch durch das „Vergeben von“ Beförderungsämtern ein System, das auf Konkurrenz und auf Entsolidarisierung der Richterinnen und Richter angelegt ist.

7. Auch wir verlieren durch die Teilnahme am Beförderungswesen unser kritisches Potential und unterlaufen damit letztlich unsere eigene Justizkritik.

Veröffentlicht in „Betrifft JUSTIZ“ Nr. 36, 1993, Seite 160

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