Gewaltenteilung außerhalb Deutschlands

Enzyklika CENTESIMUS ANNUS zum hundertsten Jahrestag von RERUM NOVARUM

Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls

Enzyklika CENTESIMUS ANNUS Seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. an die verehrten Mitbrüder im Bischofsamt, den Klerus, die Ordensleute, die Gläubigen der katholischen Kirche und alle Menschen guten Willens zum hundertsten Jahrestag von RERUM NOVARUM
1. Mai 1991

Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz Kaiserstraße 163, 5300 Bonn 1

[….]

V. Kapitel: Staat und Kultur

44. Leo XIII. wußte sehr wohl, daß man eine gesunde Staatstheorie braucht, um eine normale Entfaltung der menschlichen Tätigkeiten zu gewährleisten, der geistigen und der materiellen, die beide unerläßlich sind. In einem Abschnitt von Rerum novarum legt er darum die Organisation der Gesellschaft nach drei Gewalten – der gesetzgebenden, der ausführenden und der richterlichen – vor; dies war in der damaligen Zeit in der Lehre der Kirche eine Neuheit. Diese Ordnung spiegelt eine realistische Sicht der sozialen Natur des Menschen, die eine entsprechende Gesetzgebung zum Schutz der Freiheit aller erfordert. Zu diesem Zweck ist es besser, wenn jede Macht von anderen Mächten und anderen Kompetenzbereichen ausgeglichen wird, die sie in ihren rechten Grenzen halten. Das ist das Prinzip des „Rechtsstaates“, in dem das Gesetz und nicht die Wilkür der Menschen herrscht.[….]

46. Die Kirche weiß das System der Demokratie zu schätzen, insoweit es die Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungen sicherstellt und den Regierten die Möglichkeit garantiert, sowohl ihre Regierungen zu wählen und zu kontrollieren als auch dort, wo es sich als notwendig erweist, sie auf friedliche Weise zu ersetzen. Sie kann daher nicht die Bildung schmaler Führungsgruppen billigen, die aus Sonderinteressen oder aus ideologischen Absichten die Staatsmacht an sich reißen.

Eine wahre Demokratie ist nur in einem Rechtsstaat und auf der Grundlage einer richtigen Auffassung vom Menschen möglich. Sie erfordert die Erstellung der notwendigen Vorbedingungen für die Förderung sowohl der einzelnen Menschen durch die Erziehung und die Heranbildung zu den echten Idealen als auch der „Subjektivität“ der Gesellschaft durch die Schaffung von Strukturen der Beteiligung und Mitverantwortung.[….]

Zur Startseite