Qualitätssicherung durch Gewaltenteilung!

Aus dem Text:

„…. Das Erfordernis lückenloser gerichtlicher Überprüfung aller exekutiven Maßnahmen, die Rechte der Bürger berühren, hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt in der Entscheidung über das Gesetz zum Europäischen Haftbefehl betont. Es liegt auf der Hand, dass dann jeder auch nur indirekte Einfluss der Exekutive auf ihren Kontrolleur problematisch ist. Folglich ist aus dem Gewaltenteilungsprinzip abzuleiten, dass die Judikative möglichst wenig von der Exekutive abhängig sein darf ….“

 

 

Prof. Dr. Thomas Groß, Universität Gießen

Aus: Betrifft JUSTIZ 2006 Seiten 248 ff.

 

Der berufene Richter:

Wer ist zum Richter bestellt? Nur der Bessere?

Nein, dem das Gute über das Beste noch gilt,

Der ist zum Richter bestellt.

J.W. Goethe, Tabulae Votivae Nr. 49

 

I. Das Problem der Qualitätssicherung

Mit den Begriffen Gut, Besser, am Besten benennt schon Goethe das Problem der Qualitätsmessung in der Justiz. Bei dem heutigen Thema der Qualitätssicherung muss man die Fragestellung allerdings etwas modifizieren: Hier geht es nicht um die Auswahl der Richter, sondern um die Frage, wer zum Richter über die Arbeit der Richter bestellt ist.

Zunächst einmal muss geklärt werden, was Qualität in der Justiz kennzeichnet. Sind es „gute“, d.h. auf einer sorgfältigen Tatsachenermittlung beruhende, sich mit allen aufgeworfenen Rechtsfragen gründlich auseinandersetzende Urteile? Ist es ein Verfahren, das sich intensiv dem Dialog mit den Parteien widmet? Oder sind es schnelle Urteile, ein Kriterium, das immerhin durch Art. 6 EMRK vorgegeben ist, der das Recht auf ein Urteil in angemessener Frist gewährleistet? Oder sind es Verfahren, die möglichst geringe Kosten erzeugen? Es ist offensichtlich, dass es sich hierbei um konfligierende Ziele handelt, die nicht ohne Reibungsverluste harmonisiert werden können (1).

In der aktuellen justizpolitischen Debatte steht das Ziel der Kosteneinsparung jedoch ganz im Vordergrund. Die strukturellen Probleme der öffentlichen Haushalte führen auch zu Sparzwängen in der Justiz, die sich z.B. in einem weitgehenden Einstellungsstop niedergeschlagen haben. Man sollte allerdings auch deutlich machen, dass diese Strategie auf Grenzen aus der staatlichen Justizgewährleistungspflicht stößt. So hat das Landgericht Berlin inzwischen schon wegen einer klaren Unterausstattung im Bereich der Rechtspfleger, wo mehr als 25 % der Planstellen nicht besetzt waren, einem Rechtsanwalt, dessen Kostenfestsetzungsantrag lange nicht bearbeitet wurde, einen Schadensersatzanspruch aus Staatshaftung zugesprochen (2). Wenn es aber schon zur Amtshaftung wegen Verzögerungsschäden kommt, so zeigt dies deutlich eine falsche Prioritätensetzung.

Allerdings setzt die Politik nicht allein auf Einsparmaßnahmen, sondern möchte gleichzeitig durch Effizienzsteigerung die Leistungsfähigkeit der Justiz erhöhen. Hierfür werden einzelne Instrumente des Neuen Steuerungsmodells auch auf die Gerichte angewendet. Diese modernen Formen der ökonomischen Qualitätssicherung haben allerdings massive Befürchtungen geweckt, dass sie als Einfallstor für eine zunehmende exekutive Einflussnahme auf die richterliche Tätigkeit dienen sollen. Der Zusammenhang liegt durchaus nahe. Zurecht heißt es in einer jüngst erschienenen Dissertation: „Wer … auf den Modus der richterlichen Leistungserbringung Einfluß nimmt, steuert die Determinanten des Ergebnisses (3).“

Qualitätssicherungsmechanismen berühren also auch die richterliche Unabhängigkeit. Hieraus ergibt sich die einfache Schlussfolgerung, dass es entscheidend darauf ankommt, wer Qualitätskriterien für die Arbeit der Justiz definiert und wer ihre Qualität beurteilt (4).

II. Lösungsansätze

Die Frage der Zuständigkeit für Qualitätssicherungsmechanismen hängt also mit der Stellung der Justiz in der Gewaltenteilung zusammen. Zur Verdeutlichung der Problematik sollen zunächst zwei unterschiedliche Konzeptionen der Justiz einander idealtypisch gegenüber gestellt werden. Nach dem einen Modell werden Gerichte als Behörden wie im Bereich der Verwaltung angesehen, die sich lediglich durch den Sonderstatus der unabhängigen Richter unterscheiden. Das andere Modell betrachtet dagegen die Gerichtsbarkeit insgesamt als unabhängige Gewalt, die insbesondere von der Exekutive getrennt werden muss.

1. Die verwaltete Justiz

Das erste Modell zeichnet sich dadurch aus, dass Richter als eine Art von Beamten und die Gerichte als Behörden verstanden werden, die dem Justizressort (bzw. einem anderen Fachressort) untergeordnet werden.

Die alte Bezeichnung als „richterliche Beamte“ ist zwar nach dem Zweiten Weltkrieg ausgemustert worden, sie findet sich allerdings noch in einigen älteren Gesetzesvorschriften, z.B. in § 839 Abs. 2 BGB. Bis heute haben sich einige wichtige Elemente des Beamtenrechts im Bereich der Richterschaft erhalten. So erfolgt die Einstellung der Richter durch ein Ministerium, d.h. eine politisch gesteuerte exekutive Behörde. Zwar ist in den meisten Bundesländern die Beteiligung eines Richterwahlausschusses vorgesehen, doch wird dies von einigen Stimmen in der verfassungsrechtlichen Literatur bereits als rechtfertigungsbedürftige Abweichung von der primären Zuständigkeit der Exekutive angesehen (5). Nach herrschender Auffassung liegt jedenfalls das letzte Wort bei Einstellungsentscheidungen immer auf der Seite der Minister.

Wie Beamte unterliegen Richter einer Dienstaufsicht, die durch die Gerichtspräsidenten als Vorgesetzte ausgeübt wird, wobei allerdings die inhaltliche Reichweite durch § 26 DRiG begrenzt ist. Ein wichtiges Element der Dienstaufsicht ist die Beurteilung der Leistungen von Richtern, die mit der justizinternen Karriere verknüpft ist. Über die damit verbundenen Beförderungsentscheidungen entscheidet wiederum meistens das Ministerium. In dem dadurch ausgeübten indirekten Anpassungsdruck sehen viele Kritiker eine zentrale Schwächung der Unabhängigkeit (6). Bei der engen Verzahnung von Exekutive und Judikative erscheint auch ein vorübergehender Wechsel von Richtern in ein Ministerium, in dem sie weisungsabhängig exekutive Aufgaben erfüllen, als unproblematisch. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass eine solche Abordnung oft sogar karriereförderlich ist.

Rechtlich manifestiert sich die Gleichsetzung von Richtern und Beamten außerdem darin, dass die herrschende Auffassung es ohne weiteres bereit ist, die Gewährleistung der Beachtung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 V GG auch auf Richter anzuwenden (7).

In der verwalteten Justiz wird auch den Gerichten keine institutionelle Unabhängigkeit gewährt. Sie sind vielmehr wie andere Behörden grundsätzlich hierarchisch strukturiert, wobei der Präsident als Behördenleiter fungiert (8). Eine richterliche Selbstverwaltung gibt es nur im Bereich der Geschäftsverteilung, während im übrigen nur Beteiligungsorgane bestehen, die z.T. sogar geringere Mitwirkungsrechte haben als im Bereich der Verwaltung.

Schließlich ist auch die Einordnung der Gerichtsbarkeit in das Justizressort als folgerichtig anzusehen. Folglich liegt die Verantwortung für die gesamte Ressourcenverwaltung beim Ministerium. Insbesondere steuert es die Zuweisung der Finanzen an die einzelnen Gerichte. In diesem Modell spricht dann auch nichts dagegen, dass die Einführung ökonomischer Steuerungsmechanismen nach dem Vorbild des Neuen Steuerungsmodells, die das Ziel verfolgen, die Effizienz zu steigern, durch einen Regierungsbeschluss erfolgt, der von der Justiz auszuführen ist. Dabei soll nicht verkannt werden, dass sich die Einsicht, das ihre Anwendung in der Gerichtsbarkeit nur mit Modifikationen möglich ist, inzwischen durchgesetzt hat.

2. Die unabhängige Justiz

Das Gegenmodell betrachtet dagegen nicht nur die einzelnen Richter als persönlich unabhängig, sondern betont die Bedeutung der Unabhängigkeit der gesamten Justiz, insbesondere im Verhältnis zur Verwaltung.

Richter wird als eigenständiger Rechtsstatus aufgefasst, der sich grundsätzlich von der Beamtenschaft unterscheidet. Der Ansatzpunkt hierfür findet sich bereits im Grundgesetz, das in Art. 98 I und III GG die Regelung der Rechtsstellung der Richter durch besondere Gesetze verlangt. Im Parlamentarischen Rat ist der Abschnitt des Grundgesetzes über die rechtsprechende Gewalt insbesondere von Georg August Zinn, dem späteren hessischen Ministerpräsidenten beeinflusst worden. Er hat den angestrebten Bruch mit der Vergangenheit schon früh deutlich zum Ausdruck gebracht: „Das Grundgesetz will einen neuen Richtertyp schaffen, der sich von der übrigen Beamtenschaft abhebt (9).“

Die Gerichte insgesamt werden in diesem Modell als Organisationseinheiten zur Unterstützung der Rechtsprechungstätigkeit angesehen. Da bei der Ausübung judikativer Funktion keine Hierarchien bestehen, muss sich dies auch auf die innere Struktur der Gerichte auswirken, die nach dem Vorbild der Selbstverwaltung aufgebaut werden, z.B. durch eine kollektive Gerichtsleitung (10).

Zentral ist für die Unabhängigkeit der Justiz aber u.a. ihre Abkoppelung von der Exekutive. Hierfür gibt es Vorbilder aus vielen anderen europäischen Ländern (11). In der deutschen Diskussion finden sich insbesondere Vorschläge zur Schaffung eines Justizverwaltungsrates, der die administrative und finanzielle Autonomie der Justiz gewährleisten soll. Diese Forderung, die zunächst die Neue Richtervereinigung aufgestellt hat (12), ist nunmehr auch durch Beschluss der Bundesvertreterversammlung vom 15.11.2002 vom Richterbund übernommen worden (13).

Das zweite zentrale Element ist die Stärkung der Richterwahlausschüsse, die zwar nicht zu einer personellen Autonomie im Sinne eines Kooptationssystems führen, aber jedenfalls eine größere Unabhängigkeit der Personalauswahl von der Exekutive bewirken sollen (14). Diese Forderung kann sich auch auf die einstimmig angenommene Empfehlung R (94) 12 des Ministerkomitees des Europarats vom 13.10.1994 (15) stützen: „The authority taking the decision on the selection and career of judges should be independent of the government and the administration.“ Insbesondere sollten im Ausschuss auch gewählte Vertreter der Richterschaft an den Personalentscheidungen beteiligt werden.

III. Folgerungen aus dem Gewaltenteilungsprinzip

Es ist offenkundig, dass das erste Modell der heutigen Situation der Justiz in Deutschland entspricht, während das zweite Modell eine Vision darstellt, die allerdings für alle Elemente Vorbilder in anderen europäischen Ländern findet. Welchen Bezug haben sie nun zum Gewaltenteilungsprinzip? Da das Gewaltenteilungsprinzip im Grundgesetz nicht strikt durchgeführt ist, kann man es nicht dafür in Anspruch zu nehmen, nur eine der beiden Konzeptionen für verfassungskonform zu erklären. Aufgrund seiner Konkretisierungsbedürftigkeit ist ihm vielmehr lediglich eine interpretatorische Hilfestellung zu entnehmen (16). Insbesondere ergeben sich aus ihm Schlussfolgerungen für das Verhältnis interner und externen Kontrollen der Justiz.

1. Die Konkretisierungsbedürftigkeit des Prinzipes

Das Grundgesetz wie auch die Länderverfassungen haben von vornherein keine reine Durchführung der Gewaltenteilung angestrebt. Insbesondere bewirkt das parlamentarische Regierungssystem immer eine gewisse Verschränkung der Gewalten. Deshalb kommt es in erster Linie auf die konkrete Funktionenordnung durch das Organisationsrecht der jeweiligen Verfassung an. Daneben hat auch der Gesetzgeber gewisse Spielräume bei der Ausgestaltung der Gewaltenteilung. Folglich sind durchaus auch föderal unterschiedliche Varianten möglich.

Das bedeutet allerdings nicht, dass das Prinzip völlig inhaltsleer und ohne normative Bindungen ist. Art. 20 II 2 GG, wonach die Staatsgewalt „… durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“ wird, enthält ein Sonderungsgebot, das für den Bereich der Dritten Gewalt durch Art. 92 GG verstärkt wird, der die Funktion der Rechtsprechung allein den Richtern zuweist. Dadurch erhält die Garantie der persönlichen Unabhängigkeit aus Art. 97 GG eine zusätzliche organisatorische Dimension (17). Daraus folgt, dass die Eigenständigkeit der Justiz gegenüber den anderen Gewalten die Regel ist und Abhängigkeiten eine Ausnahme darstellen, die rechtfertigungsbedürftig ist.

Dabei besteht jedoch eine Asymmetrie zwischen den Gewalten, die bereits in Art. 20 Abs. 3 GG angelegt ist. Selbstverständlich ist die Justiz an die von den Parlamenten erlassenen Gesetze gebunden, wenn man die Sonderrolle der Verfassungsgerichte außer acht lässt. Ebenso unterliegt die Gerichtsbarkeit der Haushaltsgesetzgebung und muss sich auch insoweit den Vorgaben der Parlamente beugen. Ganz anders ist aber das Verhältnis zur Exekutive gestaltet. Ihr gegenüber hat die Justiz einen umfassenden Kontrollauftrag, der durch die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG abgesichert ist. Das Erfordernis lückenloser gerichtlicher Überprüfung aller exekutiven Maßnahmen, die Rechte der Bürger berühren, hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt in der Entscheidung über das Gesetz zum Europäischen Haftbefehl betont (18). Es liegt auf der Hand, dass dann jeder auch nur indirekte Einfluss der Exekutive auf ihren Kontrolleur problematisch ist. Folglich ist aus dem Gewaltenteilungsprinzip abzuleiten, dass die Judikative möglichst wenig von der Exekutive abhängig sein darf.

Wenn man sich aber mit den modernen Erkenntnissen der Organisationswissenschaften (19) bewusst ist, welche Bedeutung die Ausgestaltung der Organisation für die Aufgabenerfüllung hat, dann wird deutlich, dass sich die Unabhängigkeitsgarantie nicht auf den einzelnen Richter bzw. Spruchkörper beschränken darf, sondern die Unabhängigkeit der Justiz insgesamt gewährleistet sein muss. Zwar ist die Rechtsanwendung durch Rechtsprechung ihr primärer Leistungsauftrag, der durch Zusatzfunktionen im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ergänzt wird. Die Justizverwaltung ist deshalb aber keine ganz andersartige Aufgabe, sondern ihr kommt eine dienende Funktion zur Aufgabenerfüllung der Rechtsprechung zu, die es ausschließt, sie mit herkömmlichen administrativen Zuständigkeiten für die Ressourcenverwaltung gleichzusetzen.

Aus dem Primat des verfassungsrechtlich abgesicherten Rechtsprechungsauftrags folgt aber auch, dass bei den schon angesprochenen Zielkonflikten die gesetzeskonforme Rechtsanwendung unbedingten Vorrang vor Effizienzüberlegungen hat. Interne Rationalisierungsmaßnahmen sind dadurch nicht von vornherein ausgeschlossen, sie dürfen aber nicht zu Verstößen gegen das geltende Verfahrensrecht führen.

2. Das Verhältnis interner und externer Kontrollen

Bei dem Plädoyer für die Anerkennung der organisatorischen Dimension der richterlichen Unabhängigkeit darf nicht übersehen werden, dass das Gewaltenteilungsprinzip auch checks and balances beinhaltet, so dass nicht der falsche Eindruck entstehen sollte, die Justiz müsse ein kontrollfreier Raum sein. Entscheidend ist aber die Frage, wer kontrolliert wen? Auch hier ist eine differenzierte Antwort notwendig.

Es dürfte unstrittig sein, dass die Qualität der Rechtsprechung als der primären Funktion der Justiz allein durch interne Instrumente gesichert werden kann. Neben der kollegialen Besetzung von Spruchkörpern sind insbesondere die Rechtsmittel das zentrale Verfahren zur Fehlerkorrektur. Dass durch den vermehrten Einsatz von Einzelrichtern und die Verkürzung von Instanzenzügen diese Formen der Qualitätssicherung deutlich zurückgedrängt werden, zeigt auch, dass die politischen Prioritäten zur Zeit einseitig zugunsten der Sparsamkeit gesetzt werden. Externe Kontrollen sind insofern nur in indirekter Form möglich. Eine wesentliche Rolle spielen die öffentliche Kritik in den Medien und die Diskussion der Entscheidungen in der Rechtswissenschaft. Außerdem kann natürlich der Gesetzgeber unerwünschte Ergebnisse der Rechtsprechung beeinflussen, indem er die Regeln ändert, allerdings nur für die Zukunft.

Im Bereich der finanziellen Ressourcen ist die Justiz von den Haushaltszuweisungen des Parlaments abhängig. Außerdem besteht eine Rechenschaftspflicht für die ordnungsgemäße und sparsame Mittelverwendung gegenüber dem insofern vom Rechnungshof beratenen Parlament. Im Rahmen der Haushaltsverhandlungen darf allerdings kein Einfluss auf die Rechtsprechungstätigkeit genommen werden. Außerdem erscheint es notwendig darauf hinzuweisen, dass aus dem Justizgewährleistungsanspruch und dem Recht auf ein Urteil in angemessener Frist eine Verpflichtung zur aufgabenadäquaten Ausstattung der Justiz besteht, die nicht politisch disponibel ist. Strittig ist dagegen, ob die Exekutive eine eigene Verantwortung für die Leistungsfähigkeit der Judikative trifft (20). Aufgrund der genannten Argumente gegen Einflussmöglichkeiten auf die Rahmenbedingungen der richterlichen Tätigkeit ist dies jedoch zu verneinen. Es ist ohne weiteres vorstellbar, dass die Justiz unmittelbar mit dem Parlament über ihren Haushalt verhandelt, was eine beratende Einschaltung der Regierung nicht ausschließt.

Für die leistungsbezogenen Instrumente des Neuen Steuerungsmodells bedeutet dies, dass sie nur in stark modifizierter Form auf die Justiz übertragbar sind (21). Insbesondere darf keine Leistungsmessung in Bezug auf die Tätigkeit der einzelnen Richter erfolgen, sondern es können allenfalls aggregierte Daten erhoben und bewertet werden. In jedem Fall muss gewährleistet sein, dass gesetzlich vorgeschriebene Ausgaben erfolgen können, ohne dass dies negativ bewertet wird. Plausibel ist im Übrigen die Forderung, die Grundzüge eines solchen justizspezifischen Qualitätsmanagements mit Kosten-Leistungs-Rechnung gesetzlich zu regeln (22).

Die wichtigste Schlussfolgerung aus dem Gewaltenteilungsprinzip ist jedoch, dass die Verfahren der Qualitätssicherung, auch soweit sie sich nicht auf die juristische, sondern auf die ökonomische Seite richterlichen Handelns beziehen, von der Justiz eigenverantwortlich durchzuführen sind. Im Rahmen der bestehenden Organisation kommt hierfür eine Zuständigkeit der Richterräte in Frage (23). Mit der Eigenverantwortung für den effizienten Ressourceneinsatz wird aber auch die Forderung nach einer stärkeren Selbstverwaltung in der Justiz begründet (24). Dabei ist keine völlige Isolierung der Gerichte anzustreben, denn es ist durchaus sinnvoll, sich Rat von Anwälten und anderen Sachkundigen einzuholen, die die Dienste der Justiz in Anspruch nehmen. Im Jargon des Neuen Steuerungsmodells nennt man dies „Kundenorientierung“. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass mehr Eigenverantwortung der Justiz nur funktioniert, wenn sich engagierte Richter finden, die die neuen Aufgaben ausfüllen, wofür ebenfalls partizipative interne Entscheidungsstrukturen mit einer verstärkten Mitwirkung Anreize bieten.

Dass eine stärkere Autonomie der Justiz auch in Deutschland möglich ist, zeigt die Stellung des Bundesverfassungsgerichtes (25). Seine Sonderstellung, die in § 1 I BVerfGG als „ein allen anderen Verfassungsorganen gegenüber selbständiger und unabhängiger Gerichtshof“ beschrieben ist, ist durch den Wortlaut des Grundgesetzes keineswegs zwingend vorgegeben. Vielmehr ist dieser Rechtsstatus, der insbesondere die Unabhängigkeit vom Bundesjustizministerium und damit volle Personal- und Finanzautonomie bedeutet, vom Gericht selbst mit seiner Denkschrift aus dem Jahr 1952, an der der Bundesverfassungsrichter Leibholz maßgeblich beteiligt war, durchgesetzt worden (26). Das Gericht hat seither, wie übrigens auch der Bundesrechnungshof, einen eigenen Titel im Bundeshaushalt, ohne dass seine Leistungsfähigkeit dadurch erkennbar gelitten hat. Warum soll dies kein Vorbild für die gesamte Justiz sein?

Als Fazit ist folglich festzuhalten: In einem Rechtsstaat, der die Gewaltenteilung ernst nimmt, sind nur Richter berufen, die Arbeit von Richtern zu beurteilen, also zu beurteilen, was in der Justiz gut, besser und am besten ist.

 
1. Hochschild/Schulte-Kellinghaus, DRiZ 2003, S. 413 ff.; s.a. Sodan, DÖV 2005, S. 764 ff.

2. LG Berlin, NJW 2005, 1811.

3. Schütz, Der ökonomisierte Richter, 2005, S. 57.

4. Schütz, aaO, S. 379 ff.

5. Vgl. insbesondere Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 1974; Ehlers, Verfassungsrechtliche Fragen der Richterwahl, 1998.

6. Kritisch z.B. Staats, DRiZ 2002, S. 340 ff.; weitere Nachweise bei Groß, ZRP 1999, S. 361 ff., 362.

7. BVerfGE 12, 81, 88; 56, 146, 151; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 2000, Art. 97 Rn. 56.

8. Dazu Schütz, aaO, S. 25 ff., 85 ff.

9. Zinn, DÖV 1949, S. 278 ff., 280.

10. Vgl. z.B. Weber-Grellet, DRiZ 2003, S. 303 ff., 304.

11. Vgl. die Überblicke bei Oberto, ZRP 2004, S. 207 ff., Groß, in: Schulze-Fielitz/Schütz (Hrsg.), Justiz und Justizverwaltung zwischen Ökonomisierungsdruck und Unabhängigkeit, Die Verwaltung Beiheft 5, 2003, S. 217 ff., 224 ff.

12. Vgl. die Beschlüsse unter http://www.nrv-net.de/main.php?id=151&vo_id=87 und http//:www.nrv-net.de/downloads_publikationen/53.pdf.

13. Abgedruckt in DRiZ 2003, 13

14. Vgl. Groß, DRiZ 2003, S. 298 ff., 301 f.

15. http://cm.coe.int/ta/rec/1994/94r12.htm

16. Groß, Die Verwaltung Beiheft 5, S. 222 f.

17. Zur Begründung vgl. Groß, Die Verwaltung Beiheft 5, S. 218 ff.

18. BVerfG, NJW 2005, 2289

19. Vgl. die Zusammenfassung bei Groß, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 139 ff.

20. So Hoffmann-Riem, DRiZ 2003, S. 284 ff., 288.

21. Groß, Die Verwaltung 2001, S. 371 ff., 379 ff.; ausführlich Schütz, aaO, S. 329 ff.; kritisch z.B. Voßkuhle, in: Schulze-Fielitz/Schütz (Hrsg.), Justiz und Justizverwaltung zwischen Ökonomisierungsdruck und Unabhängigkeit, Die Verwaltung Beiheft 5, 2003, S. 35 ff.; Sodan, DÖV 2005, S. 764 ff., 766.

22. Schütz, aaO, S. 355 ff.

23. Schütz, aaO, S. 390.

24. So bereits Voss, DRiZ 1998, S. 379 ff., 390.

25. Böttcher, NK 2004, S. 28 ff., 31.

26. Dazu Faller, EuGRZ 2002, S. 306 ff.

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Prof. Dr. Thomas Groß ist Professor für öffentliches Recht, Rechtsvergleichung und Verwaltungswissenschaft an der Universität Gießen

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