Die deutsche Staatsanwaltschaft: Marionette der Politik? Unabhängigkeit muss sein!

Aus dem Text:

„…. Jawohl es brennt in der Justiz, nur nimmt es die Öffentlichkeit nicht wahr, weil die Feuermelder (Präsidenten und Behördenleiter) von den »Brandstiftern« eingesetzt sind …“

 

Klaus Pförtner, Oberstaatsanwalt in Frankfurt am Main

 

Lesefassung eines am 08.11.2008 auf dem Internationalen Symposium zur richterlichern Unabhängigkeit in Europa an der Universität Frankfurt am Main gehaltenen Vortrags

 

Zuletzt wurde unter der grundsätzlichen Voraussetzung der Befreiung der Justiz aus den Fängen und Zwängen der Exekutive in dem Ergebnispapier „Dresdner Plädoyer“ herausgestellt, dass nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern der einzelne Staatsanwalt, jedenfalls seine Fachabteilung, unabhängig und so auch grundsätzlich im Rahmen dieser Einschränkung als „gesetzlicher Staatsanwalt“ arbeiten muss. Sicherlich ein Fixstern, der aber die Richtung deutlich anzeigt.

Da wohl im Rahmen eines großen Symposiums nichts langweiliger ist, als ein Referat vorzulesen, welches sie nachlesen werden können, nutze ich die Gelegenheit, ein paar Funken des Feuers unter der Staatsanwaltschaft auf sie zu schleudern. Jawohl es brennt in der Justiz, nur nimmt es die Öffentlichkeit nicht wahr, weil die Feuermelder (Präsidenten und Behördenleiter) von den „Brandstiftern“ eingesetzt sind, die es fast alle wenn überhaupt nur diesen „berichten“. Ein Thema für sich.

Wir sind hier alle sicher nur gutmeinende, innovative Menschen Minister und Senator, Präsidenten, Behördenleiter, Staatsanwälte, Richter und das ganze Publikum; lassen Sie mich dennoch folgendes verdeutlichen. Von der Politik wird ohne massiven Öffentlichkeitsdruck nur Nebel erzeugt werden. Wer gibt gerne etwas her, was er beherrscht. Auch ein grüner Justizsenator wird nichts Grundlegendes ändern (können). Das kenne ich aus Hessen. Wenn er hier vollkommen unbefangen erklärt, die große Wertschätzung der Justiz durch die Politik erkenne man am Institut des Richtervorbehalts, dann muss ich sagen, dass er wirklich noch grün ist. Bei vielen der Gesetze ist der Richtervorbehalt erst dann hineingekommen, wenn es erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken (z.B. auch durch das BVG) gegen diese Gesetze gab. Und den Richtervorbehalt, oft nur Alibi verfassungsgetreuer Anwendung verfassungsproblematischer, teils weitgehend auf unbestimmte Merkmale gestützter Eingriffsrechte der Exekutive, den kann man dann auch leicht gewähren, der kostet nichts. In keinem der Vorüberlegungen dieser Gesetze, die größere Eingriffe in Grundrechte rechtfertigen sollen, steht irgendwo, was das eigentlich kostet. Und das kostet Richter und Staatsanwälte eine ganze Menge. Diese ganzen Gesetze der Überwachung z.B. neuer Medien verlangen enormen Arbeitsaufwand. Eigentlich kostet jeder Richtervorbehalt sagen wir einmal frei 16 Richter und 25 Staatsanwälte oder umgekehrt. Die kommen aber nicht mit dem Gesetz zusammen über die Justiz, sondern diese wird weiter belastet. Nur drauf auf das ohnehin schmale Zeitkontingent. Die werden es schon richten! Und wenn man das so weiß, weiß man auch, dass sowohl Richter als auch Staatsanwälte, die die Eingriffe oft auf starken Druck der Polizei in Eile überprüfen und gegebenenfalls beantragen müssen, überhaupt nicht in der Lage sind, alles genau und wehrhaft zu durchdenken. Sie haben kaum ausreichend Zeit. Auch wenn dies nicht gewollt ist, wird es von der Politik, wenn nicht billigend in Kauf genommen, dann aber jedenfalls grob fahrlässig so zugelassen. Und das sage ich ernsthaft so!

Ein kurzer Einwurf: Die Computerisierung hat neben Problemen und Bedenken anderer Art jedenfalls den staatsanwaltlichen Dezernenten zusätzlich belastet, muss er nun letztlich noch mehr Daten verarbeiten. Zudem befreit er durch Eigenwerk die verschlankten, sonst absolut überlasteten Sekretariate von Schreibarbeit. Das muss auch gesagt werden, weil die Exekutive einen anderen Schein setzt.

Das zweite ist: Es wird immer sehr pragmatisch gegen die Forderung nach Unabhängigkeit eingewendet: Wo bekommen sie denn ausreichend Mittel her, wenn sie den Justizminister nicht mehr haben, der ja auch mit seinen Parteifreunden und dem Finanzminister redet. Auf den Sachverstand des Haushaltgebers (Legislative) verlassen sich diese Pragmatiker zu Recht auch schon nicht mehr. Aber wir haben doch jetzt schon nicht annähernd ausreichende Mittel. Die drei Prozent des Landeshaushalts, die die Justiz zur Hälfte auch noch selbst erwirtschaftet. Das sind, um mal hier so ein Frankfurter Wort zu gebrauchen, Peanuts! Und der wahre Justizminister ist in diesem Lande und in anderen Ländern wahrscheinlich auch der Finanzminister. Ich glaube keinesfalls, dass ein Finanzminister je in der Lage und Willens ist, mehr Geld im Parlament für die Justiz genehmigt zu bekommen, als dies für die Justiz eine selbstständige Richterschaft, die damit ganz massiv an die Öffentlichkeit gehen kann, direkt beim Haushaltgeber erreichen kann.

Das dritte, weil ich weiß, dass es im Vortrag von Bundesanwalt Gerhard Altvater vorkommen soll, und ich muss es natürlich vorher sagen, hinterher komme ich nicht mehr dran, und weil es eben auch im Vortrag des portugiesischen Gastes Antonio Cluny vorgekommen ist, das ist die weitgehend von Claus Roxin in Deutschland in das deutsche Juristenherz getragene Fehldarstellung – Eberhard Schmidt hat das auch schon so verbreitet – der Geschichte der deutschen Staatsanwaltschaft. Die deutsche Staatsanwaltschaft wird gesehen als „Hüter des Gesetzes“. Wen das wirklich interessiert, der soll die kluge und unterhaltsame Dissertation von Peter Collin („Wächter der Gesetze“ oder „Organ der Staatsregierung“, 2002) über dieses Thema lesen. Die Staatsanwaltschaft ist in Deutschland nicht eingeführt worden als „Hüter des Gesetzes“. Das wird immer nur so behauptet. Die Staatsanwaltschaft ist als Organ zur Durchsetzung des Machtwillens des Staates eingeführt worden, gegen aufmüpfige unabhängige Richter, um der Exekutive mehr Einfluss auf die Durchführung der Verfahren zu geben, die Rechtsmittel im Verfahren zu beherrschen u.ä.m. Also, die Staatsanwaltschaft ist in ihrer Grundkonzeption nicht Hüter des Rechts, sondern Organ zur Durchsetzung des Machtwillens des Staates. Deshalb will die Politik keine unabhängige Staatanwaltschaft! Das muss schon deshalb deutlich gesagt werden, um den Glorienschein der deutschen Staatsanwaltschaft zu löschen.

Ein weiteres Anliegen: Lassen Sie sich nie beirren von der Behauptung von Justizministern oder der Verwaltung: In Deutschland gibt es ja soviel Richter, da können andere nur von träumen. Lassen Sie sich sagen, wie hoch der Anteil des Justizhaushalts am Gesamthaushalt ist, welchen „finanziellen“ Stellenwert die Justiz in vergleichbaren Staaten hat. Lassen sie sich sagen, ob es ein Land gibt, das nur annähernd so überreguliert ist. Und dann werden Sie merken, dass wir zwar viele Richter haben, aber in den Folgediensten fast nichts, was andere westeuropäische Justizsysteme stärkt. Als kurzer Einwurf: In Deutschland muss ein Justizjurist Computerschreiben, muss er Akten hin und her tragen, muss Statistiken führen, muss er einen ganzen Haufen von unbedeutendem Zeug machen, weil es die Justizverwaltung so will, auch weil dafür das Fachfolgepersonal kaum noch da ist. Um das ganze auf den Punkt zu bringen: Wenn man ein wirklich sauberes Dienstzimmer haben will, dann muss man es selber putzen! So ungefähr ist es in der deutschen Justiz. Das ist grob und pointiert dargestellt und ist natürlich alles viel ziselierter.

Um jetzt noch etwas zur Gewaltenteilung zu sagen. Wer ist denn der „Herr Exekutive“, wer „Herr Legislative“ und wer „Frau Judikative“, keiner sagt uns das hier und heute konkret. Legislative ist in Deutschland inzwischen Politik sowieso, Parteipolitik, das soll auch so sein, obwohl die Parteien inzwischen in Deutschland vielmehr Macht haben, als die Verfassung das vorsah. Sie bezahlen sich ja fast vollständig dafür und nicht nur so, wie das Grundgesetz es vorsieht, für Ihre Mitwirkung an der politischen Willensbildung. Und sie sind umzingelt von Lobbyisten, die in Berlin ein Mehrfaches an Raum besetzen, den Legislative und Exekutive einnehmen. Und wer ist dann die Exekutive? Das sind Besetzungen in Personalunion, jedenfalls parteipolitisch nach den Verhältnissen in den Parlamenten. Und nicht nur nah dabei, sondern mittendrin die gleichen Lobbyisten. Das Volk wird dadurch verdeckt. Es hat keine Lobby. Die Parteien haben diese ursprüngliche Aufgabe aufgekündigt. Da gibt es überhaupt nichts mehr, was zwischen den „Herren Exekutive und Legislative“ noch ausbalanciert werden muss. Doch: Pöstchen vielleicht. So eine Situation wie jetzt im Herbst 2008 in Hessen gibt es nur in Ausnahmen.

Aber im Prinzip sind Legislative und Exekutive parteipolitisch ausbalanciert bis dort hinaus. Das ist doch klar! Wer ist denn auch schon „Frau Justitia“? Es gibt kaum jemanden, der eigenständigen veröffentlichten rechtspolitischen Handlungswillen hat und Präsident oder Behördenleiter geworden ist, außer er war Rechtsprofessor. Das lohnt ja auch in den Köpfen vieler nicht, weder finanziell noch sonst wie. Die Politiker gehen dorthin, wo Macht ist und ein nicht aus dem Staatshaushalt (oder nur verdeckt) bezahlter Lobby oder Versorgungsjob lockt. Und das bieten nur Legislative und Exekutive.

Und die, die immer nach einer jedenfalls theoretischen demokratischen Legitimation der Staatsgewalten rufen, halten sich bei der Vierten bedeckt. Bezüglich Presse und sonstigen Medien ist doch noch keiner von ihnen auf die Idee gekommen, dass deren Gewalt vielleicht auch demokratisch legitimiert sein sollte. Die deutschen Pressemogule, oft hinter Verlagen versteckt, auch ein Herr Berlusconi wären dann sicherlich sauer und Herr Murdoch wahrscheinlich auch. Also, da macht sich keiner Gedanken. Da geht es wohl „nur“ um wirtschaftliche Macht. Da ist niemand in Deutschland, der sagt, dass muss aber alles demokratisch legitimiert sein. Und das bisschen Presse, Medien und Kartellgesetze, die regulieren das sicherlich nicht demokratisch.

Und jetzt komme ich zu meiner zentralen Sache: Ich will mit Ihnen nicht diskutieren, ob die Staatsanwaltschaft Teil der Justiz ist oder was auch immer. Es ist jedenfalls unbestritten so, dass die Staatsanwaltschaft ganz wesentlich daran mitarbeitet, Opfern Recht zu gewähren und Täter rechtsförmig zu verfolgen, Strafrecht umzusetzen. Was der Staatsanwalt entscheidet, trifft den Bürger oftmals sehr hart und greift erheblich in dessen Leben ein oder eben oft zu Unrecht nicht. Um dies im Sinne von Recht und Gesetz unbeeinflusst (also unabhängig) tun zu können, muss die Staatsanwaltschaft ebenso frei von exekutiven Bedenken und ebenso wenig politischer Einflussnahme ausgesetzt sein, wie der Richter auch. Dazu gehört auch der Grundsatz sine spe ac metu. Unbeeinflusst von Karriere und außerjustizieller Disziplinierung.

Ich weiß, dass dies auch bei Richtern auf Vorbehalte stößt. Das war ja selbst in meiner Richtervereinigung ein Ringen, den Richtern zu erklären, dass man sich gut vorstellen kann, es soll nicht ministerial bestimmte Staatsanwälte geben. Ich denke, der eine oder andere Richter hat dabei über Missbrauch seiner Freiheit und Unabhängigkeit nachgedacht. Wir wissen alle, dass Unabhängigkeit auch Missbrauchsmöglichkeiten mitbringt. Aber die Vorteile der Unabhängigkeit werden dadurch auch bei Staatsanwälten keineswegs aufgewogen (Staatsanwälte sind keine schlechteren Richter).

Im staatsanwaltschaftlichen System, das Preußen lange überdauert, steckt ja nicht nur das preußische Verwaltungssystem, sondern das preußische Militärsystem. Es ist das Vorbild für das Verwaltungssystem gewesen. Es geht also so: Der vom Rechtsverteidigungsminister ernannte Generalstaatsanwalt kommandiert die Juristen an die und an der Front und inzwischen sieht es so aus, als wären dort Schützengräben, weil so hoch Akten um uns liegen, dass wir uns wirklich an der Frontlinie dahinter verbergen können. Und wenn man einmal die Zeit und den Mut hat, über die Aktenberge zu schauen, sieht man auf der anderen Seite den einen oder anderen Lobbyisten oder den einen oder anderen der „Herren Exekutive und Legislative“. Da zieht man den Kopf aber schnell wieder ein, um nicht auch noch Feuer von der Etappe zu bekommen, also ins Kreuzfeuer (oder friendly fire) zu geraten. Wie ich schon sagte, es brennt in der Justiz vor allem natürlich an der Front. Das wird auch ganz einfach dadurch bewirkt, dass es so etwas gibt wie die Etappe mit ihren Annehmlichkeiten und die kalte Front. Fällt in der Etappe auch nur ein Offizier kürzere Zeit aus, wird jemand von vorne abgezogen, egal wie weit die Front dann zurückweichen muss. Denn die Etappe bestimmt. Löcher werden an der Front gerissen, wo doch alles dicht sein müsste.

Sie, insbesondere die Richter, müssen sich deutlich machen, dass die „Kommandeure“ auf den drei Hierarchieebenen nicht nur Disziplinarvorgesetze sind und uns verwalten. Sie sind Fachvorgesetzte und wissen daher schon von Amts wegen alles besser. Der Minister ist mein Fachvorgesetzter, er kann sagen: „Pförtner, das weiß ich viel besser, das machen wir so! Schließlich wirst Du erschossen“. Das machen die Minister aber nicht so. Er kommt nicht zu mir und sagt „Pförtner usw.“, sondern er sagt ganz einfach zu irgendeinem anderen auf dem Weg nach unten: „Man müsste mal mit dem Pförtner reden, ihm mal klarmachen, ihn mal einbestellen…“. Diese indirekte Einflussnahme, aber auch die direkten Weisungen, die dürften Ihnen doch wohl bekannt sein. Es gibt doch genügend Skandale in Deutschland, wo entweder Justizminister ihre parteipolitischen Freunde über Ermittlungsverfahren gegen diese informieren oder wo ganz energisch in Ermittlungsverfahren bei Staatsanwaltschaften eingegriffen wird. Ich nenne nur den Fall des Exstaatssekretärs Pfahls in Bayern.

Und jetzt kommen die ganz großen, kuriosen und weitverbreiteten Irrtümer. Jean Giraudoux hat einmal gesagt: Man erkennt den Irrtum daran, dass die Welt ihn teilt. Hierarchie bedeutet nämlich keineswegs eine Zunahme an Kompetenz in aufsteigender Linie, allenfalls dass ein größeres Zeitkontingent zur Verfügung steht. Mit Sicherheit dann nicht, wenn überhaupt nicht mehr nach Bestenauslese befördert wird, und das wird es nicht. Soweit ich das im staatsanwaltschaftlichen Bereich beobachte, wird oft unverschämt offen nach parteipolitischen Gesichtspunkten befördert. Und dann ist dies meist ein schon ministerial vorgeprägter Beamter. Der ist dann auch noch Fachvorgesetzter, obwohl er fachlich oftmals jahrelang nichts gemacht hat. Und versteht sich in der Regel als Vorposten der Etappe. Er versteht den Minister. Ich oft nicht. Es ist eine dramatische Situation.

Und um es noch auf die Spitze zu treiben: Justizministerien verfügen häufig gar nicht mehr über genügend fachkompetente Mitarbeiter. Ich erkläre Ihnen das. Bei jedem Regierungswechsel fliegt erst mal eine ganze Menge raus, dann kommen wieder Neue, die besser zur eigenen Partei passen, aber in der Sache gar nicht eingearbeitet sind. Und außerdem arbeiten sie alle in erster Linie daran, den politischen Willen des Ministers mit rechtlichem Brimborium zu versehen. Es wird versucht das, was gemacht werden soll, irgendwie noch rechtlich und rechtstatsächlich zu begründen. Da ist niemand oder fast niemand mehr da, der einem Minister sagen kann, was wirklich richtig und wirklich falsch ist. Auf die Wissenschaft hören Minister und Politiker ohnehin schon lange nicht mehr, weil diese in der Regel Stammtischwissen widerspricht. Die Ministerien, an der Front Mysterien genannt, sind letztlich nur noch große Wahlkampfeinheiten für die Parteirechtspolitik des jeweiligen Ministers. Ein Grund mehr, das Ministerbüro erheblich mit Personal zu verstärken, wie dies trotz massiven Stellenabbaus in Hessen geschehen ist. Der über Jahre gewachsenen Stab an befähigten Ministerialbeamten, die von der Sache viel verstanden haben und vor allen Dingen auch in der Lage waren, dies dem Minister durchsetzungsfähig zu sagen, der ist doch fast verschwunden.

Zudem wird eine hanebüchene Personaleinsatzplanung vorgenommen, die zum Teil auch zwingende Folge der Personalknappheit ist. Wir stehen einer sich immer mehr spezialisierenden Anwaltschaft gegenüber. Die Anwälte insgesamt und auch die Strafverteidiger so schon Fachjuristen spezialisieren sich zunehmend auf einzelne Gebiete. Nur die Staatsanwälte und Richter sollen alles können. So jonglieren Minister sowie Präsidien und Behördenleiter das Personal, wobei diese beiden bei der katastrophalen Personalpolitik des Ministers kaum anders können, ohne auf die Bildung von Facheliten zu achten. Zur Verdeutlichung ein Bild in Analogie. Wenn jemand „dran“ ist, jetzt das analoge Bild, dann wird er in der Uniklinik Oberarzt in der Urologie, obwohl er Ohrenarzt ist. Welchen Vorteil sollte dann das jetzige System noch haben? Ich sage Ihnen, keinen, weil das, was von oben kommt, im Wesentlichen sachfremd ist.

Die eigentliche Frage ist nur noch, wie man den gesetzlichen Auftrag verbunden mit unseren Forderungen umsetzen kann, ohne an Qualitätskontrolle zu verlieren. Sollen nur die Staatsanwaltschaften selbständig sein? Nur externe Weisungen entfallen? Zwischen und auf allen Ebenen? Oder muss es Staatsanwaltschaften geben, in denen der einzelne Staatsanwalt unabhängig arbeitet? Diese Frage kann nicht schon deshalb verneint werden, weil es Strukturen und Arbeitsaufgaben nicht zulassen, wie die Antwort oft unreflektiert gegeben wird. Strukturen können geändert werden.

Aber lassen Sie mich zunächst sagen, dass ich nur den Generalstaatsanwalt aber nicht die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht abschaffen will. Diese ist dann aber lediglich Instanz nicht mehr Dienstaufsichtsbehörde. Es ist ein durchdachtes Rechtsbehelfssystem zu entwickeln, vieles ist von uns schon durchdacht, dass es erlaubt, Entscheidungen der Staatsanwaltschaft, die ohne richterliche Beteiligung ergangen sind, überprüfen zu lassen. Zudem muss über den Umfang richterlicher Beteiligung an staatsanwaltlichen Erledigungen nachgedacht werden. Dazu haben wir schon konkretere Vorstellungen, die ich hier aber nicht auch noch darlegen kann. Mit der Unabhängigkeit des Staatsanwalts/der Staatsanwaltschaft muss deren Handeln jedenfalls transparenter werden, als dies heute der Fall ist. Die einzelnen Behörden organisieren sich nach dem Modell der Präsidialverfassung der Gerichte, wobei es allenfalls einen auf Zeit gewählten Primus inter pares, aber keinen gekürten Präsidenten, jedenfalls keine auf Lebenszeit oder bis zur höheren Verwendung verbleibende Person geben wird (Peterprinzip!). Wir brauchen keinen „ewigen“ Behördenleiter mit seiner Vorstellung von Rechtsumsetzung, die mit seiner Biografie, seiner Sozialisation, seinen Kenntnissen und Befähigungen sowie seinen Wertvorstellungen, seiner Moral und Ethik verbunden ist, sondern ausgleichenden und zugleich innovativen Pluralismus. Wir brauchen nicht einen, der sagt, was Recht ist und auf welchem Weg es am besten erreicht wird. Die Abteilungen, nicht der einzelne Staatsanwalt, werden vorbestimmt zuständig („gesetzlich“) sein. Detailliertes Vieraugenprinzip und geregelte Fachaufsicht durch das Präsidium verhindern Alleingänge, wobei letztlich die Vollversammlung oder bei großen Behörden ein erweitertes Präsidium entscheidet. Dann würden wir es ohne weiteres packen, unabhängig von Parteipolitik genauso gut Recht anzuwenden, wie das die Richter auch tun, und mit Sicherheit besser als wir es jetzt können.

Ceterum censeo: Die als Fortschritt dargestellte Abschaffung des Status eines Generals als politischer Beamter ist vernebelnd, sonst nichts. Solange der Minister diesen auswählt, ist er ein „politischer“ Beamter, was denn sonst.

Ich habe den Vortrag vollkommen frei, fast unvorbereitet aber leidenschaftlich mit wenigen Stichpunkten gehalten. Die vorliegende Fassung folgt einem Mitschnitt, die mündliche Vortragsform wurde weitgehend beibehalten. Für das Unterbleiben weiblicher Personenformen bitte ich um Nachsicht. Einiges habe ich zur Verdeutlichung hinzugefügt, nichts weggelassen und die nachdem Vortrag kritisierte Formulierung „Recht verwalten“ in „Recht anwenden“ verbessert.

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