Aus dem Text:
„…. Das eigentliche Ziel der Demokratie ist die Sicherung des effektiven Einflusses des Volkes auf die Ausübung der Staatsgewalt ….“
Horst Häuser, Richter am Verwaltungsgericht (Wiesbaden):
Beitrag „Demokratie an der Legitimationskette“. Veröffentlicht in Betrifft JUSTIZ 2002 Seiten 426 ff.
„Wo die Freiheit ihre Geschäfte selbst zu führen vermag, wird sie Demokratie“
John Dos Passos
„Mehr Demokratie wagen“
Willy Brandt
Die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts brachte den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland mehr Partizipationsmöglichkeiten, Im Namen der Demokratisierung von Staat und Gesellschaft wurden Mitbestimmungs- und Selbstverwaltungsrechte erweitert.
In der PRIVATWIRTSCHAFT führte das zum Ausbau der betrieblichen Mitbestimmung, früher unter dem Stichwort „Wirtschaftsdemokratie“ betrieben. Heute wird Mitbestimmung eher unter Effizienzgesichtspunkten angestrebt, denn sie fördert Motivation und Akzeptanz, Kreativität und Innovation. Inzwischen gilt sie sogar als „Standortvorteil“ Deutschlands.
Im ÖFFENTLICHEN DIENST gehen die Uhren anders. Nach dem Aufbau der Mitbestimmung in den 50er und 60er Jahren berufen sich nunmehr diejenigen auf das Demokratieprinzip, die Partizipation verhindern und zurückdrängen wollen, indem sie ihm eine restriktive Interpretation als bloße Staatsorganisationsform geben.
In der gegenwärtigen Diskussion um die Mitbestimmung im Öffentlichen Dienst werden dabei zwei widerstreitende Demokratiebegriffe erkennbar: das hierarchische Organisationsmodell auf der einen und die umfassende Demokratisierung auch der Verwaltung auf der anderen Seite.
Seit Jahrzehnten findet in Deutschland – von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt- ein zähes Ringen um den Demokratiebegriff des Grundgesetzes statt.
Eine Serie von sieben Artikeln in der Frankfurter Rundschau zum Thema „Demokratie und Grundgesetz“ im zweiten Halbjahr 2000 – über die im ersten Teil dieses Beitrags berichtet werden soll – bietet einen ausgezeichneten Einblick in den aktuellen Stand der Diskussion
Thomas Blanke: Mitbestimmung als Fessel der Demokratie? Der öffentliche Dienst und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (FR vom 04.07.2000)
Thomas Groß: Die Legitimität staatlicher Herrschaft. Theorienstreit: die monistische und die pluralistische Interpretation des Demokratieprinzips (FR vom 11.07.2000)
Dieter Sterzel: Dogmatisiertes Verfassungsverständnis. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts widersetzt sich dem Ausbau der Mitwirkungsrechte (FR vom 05.09.2000)
Harro Plander: Eine Art Schule der Demokratie. Die Mitbestimmung fördert die Entwicklung und Verbreitung politischer Tugenden (FR vom 12.09.2000)
Brun-Otto Bryde: Das Demokratieprinzip als Optimierungsaufgabe. Unzeitgemäß: Die monistische Auslegung des Grundgesetzes hemmt die politische Entwicklung (FR vom 17.10.2000)
Christine Hohmann-Dennhardt: Die neue demokratische Frage. Über Legitimationsgrundlagen staallichen Handelns in einer veränderten Welt (FR vom 24.10.2000)
Günter Frankenberg: Die andere Seite der Demokratie. Abschied von der lllusion staatlicher Steuerung: Selbstregierung als offener Prozess (FR vom 07.11.2000)
In der Diskussion um den Demokratiebegriff des Grundgesetzes treffen das monistische und das pluralistische Demokratieprinzip aufeinander.
Das konservative monistische Demokratieprinzip fordert, dass sich alle Äußerungen der Staatsgewalt durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das (deutsche) Volk aIs Einheit zurückführen lassen müssen.
Dabei wird ein simpler Legitimationszusammenhang konstruiert: das Volk wählt das Parlament, das Parlament wählt die Regierung, die Regierung wählt den Amtswalter (bzw. benutzt ihre hierarchische Leitungsmacht, um ihm entsprechende Anweisung zu erteilen). Auf diese Weise erscheint dann alles Verwaltungshandeln als Ausdruck des Volkswillens und ist dadurch demokratisch legitimiert, obwohl sich in der Rechtswirklichkeit jener Volkswillen – bis er über das Parlament, die Regierung und den Amtswalter nach außen in Erscheinung tritt – weitgehend verflüchtigt haben dürfte.
Außerdem kommt in dem exekutivfixierten und hierarchischen Staatsdenken der monistischen Lehre die typisch deutsche Bevorzugung der „Exekutive als Kern des Staates“ zum Ausdruck. Zudem ist in Zeiten supranationaler Zusammenarbeit, in denen der einzelne Nationalstaat mehr und mehr an Gewicht verliert, ein rückwärts gewandter und verengter Volksbegriff, der nur das „deutsche Volk“ als Volk im Sinne des Grundgesetzes ansieht, zunehmend problematisch.
Die pluralistische Lehre hat sich von dieser Fixierung auf die zentrale nationalstaalliche Exekutive und auf das deutsche Staatsvolk gelöst.
Das progressive pluralistische Demokratieprinzip bezieht sich auf das Volk aIs Vielheit von Betroffenen. Es knüpft an die konkrete „Betroffenheit einer Gruppe von Menschen durch die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe“ an und will durch deren Beteiligung (verschiedene Arten der Kooperation von Anhörung bis Mitwirkung) eine stärkere demokratische Legitimation herbeiführen. Dazu Prof. Thomas Groß:
„Dabei geht es nicht darum, die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung zu ersetzen, sondern um zusätzliche Mechanismen der demokratischen Steuerung. Die Vorstellung des 18. Jahrhunderts, ein nationales Parlament und eine von ihm kontrollierte Regierung könnten den Steuerungsbedarf einer Gesellschaft im wesentlichen selbst befriedigen, ist in der hochkomplexen modernen Welt untauglich geworden. Je weiter die Ausdifferenzierung der öffentlichen Gewalt fortschreitet, umso gekünstelter wirken die Versuche des Nachweises, dass letztlich doch immer eine Legitimationskette konstruiert werden kann, die die jeweilige Entscheidung an das Volk rückbindet. Im Ergebnis wird dadurch eher die fortschreitende Verselbstständigung der Exekutive gefördert, deren Verästelungen das Parlament gar nicht mehr überschauen kann.“
Es geht hier um die Frage, wieviel Binnendemokratie in unserem Staat – in seinen Organen, Gebietskörperschaften, Selbstverwaltungseinrichtungen usw. zulässig oder sogar notwendig ist.
Demgegenüber geht die Idee von der Demokratiewidrigkeit der Partizipation im Öffentlichen Dienst auf Prof. Ernst-Wolfgang Böckenförde und Prof. Roman Herzog zurück. Sie entwickelten diese Lehre Anfang der 70er Jahre zur Abwehr des (vermeintlich) links-liberalen politischen Geistes, der in allen staatlichen und gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Einrichtungen eine Stärkung der Partizipation forderte.
Demokratie war in diesem modernen pluralistischen Verständnis eine Lebensform, ein notwendig unabgeschlossener Prozess der Demokratisierung aller Lebensbereiche, der die Mündigkeit und Selbstbestimmung jedes Einzelnen zum Ziel hatte.
Dagegen begreift das monistische Gegenkonzept von Böckenförde und Herzog, die später als Bundesverfassungsrichter die Rechtsprechung dieses Gerichts maßgeblich beeinflussten, Demokratie ausschließlich als eine statische Organisationsform des Staates.
Die nach dieser Auffassung erforderliche ununterbrochene Legitimationskette führt aber in der Realität gerade nicht zu einem effektiven Einfluss des Volkes auf Verwaltungsentscheidungen. Sie bewirkt im Gegenteil die Verselbständigung des Staatsapparates gegenüber dem Bürger, worauf Prof. Thomas Blanke überzeugend hinweist:
„Das Beharren auf einer solchen Organisations- und Personalrechtsstruktur der Verwaltung, welches einen spezifischen Typus Verwaltungsgesetze und ein auf die Erfüllung der Gehorsamspflicht spezialisiertes Personalrecht verlangt, ist nicht nur im schlechten Sinne dogmatisch. Es ist auch gefährlich – und zwar gleichermaßen unter Legitimationsaspekten wie unter Effizienzgesichtspunkten. Selbst wenn die Idee, dass nicht der von den Mitschülern gewählte, sondern nur der vom Schulleiter ernannte Schulsprecher demokratisch legitimiert sei, verfassungsjuristisch korrekt wäre: Das Volk urteilt anders.
Das missverstandene Demokratieprinzip nötigt allen Formen der öffentlichen Verwaltung, ihrer Betriebe und Unternehmen ein wenn nicht insgesamt überholtes, so doch eng begrenztes hierarchisches Organisationsmodell auf. Damit legt es den überfälligen Prozessen der Verwaltungsmodernisierung rigide Fesseln an… So mutiert das Demokratieprinzip zur Fessel der Demokratie.“
Der für Staatsorganisationsrecht zuständige zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seiner umstrittenen Entscheidung von 1995 zum Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holsteins das Demokratisprinzip im Sinne von Böckenförde und Herzog nur staatsorganisationsrechtlich interpretiert. Doch das Grundgesetz ist mehr als nur Staatsorganisationsrecht, weil es „den Wert der Menschenwürde mit dem darauf bezogenen Prinzip der Selbstbestimmung… zum Maßstab allen staatlichen Handelns gemacht hat“ – so Prof. Dieter Sterzel:
„Es folgt dem ethisch-moralischen Anspruch, die Spannung zwischen politischer Herrschaft und Menschenrechten zugunsten letzterer aufzulösen, und zwar durch die Verknüpfung der in seinem Organisationsteil festgelegten demokratisch-rechtsstaatlichen Organisationsstrukturen mit den im Grundrechtsteil verbrieften Freiheiten. Erst durch den Bezug auf die Grund- und Menschenrechte erhält die öffentliche Gewalt ihre innere Rechtfertigung.“
Der Demokratiebegriff des Grundgesetzes ist ein normativ offener Begriff, so Prof. Günther Frankenberg, und ihm entspricht daher eine methodisch offene – und keine monistische – Interpretation. Eine „eigentliche“, andere ausschließende Form von Demokratie kann es schlechterdings nicht geben, wenn man Demokratie als politische Selbstbestimmung, Selbstregierung oder Selbstorganisation ernst nimmt. Nach Frankenberg muss der Demokratiebegriff daher – auch unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes – für die „andere Seite“ des Projekts der Selbstregierung geöffnet werden, „die Integration der Entscheidungsbetroffenen in das politische Gemeinwesen“:
„Die Diskussion über den kooperativen Rechtsstaat und das kooperative Recht [macht] die Suche nach neuen, informellen und prozeduralen Steuerungsmodellen und -praktiken erkennbar, die in der Gewährung von Handlungsautonomie für Gruppen und Subsysteme offensichtlich keine Bedrohung, sondern eine Notwendigkeit sehen. Es wäre mithin an der Zeit, von der lllusion einer nationalstaatlichen Steuerung moderner Gesellschaften durch einen nach innen und außen souveränen Staat Abschied zu nehmen und auf der Ebene der Demokratietheorie wie auch der Interpretation des grundgesetzlichen Demokratieprinzips der Notwendigkeit gesellschaftlicher Selbststeuerung und der Vielfalt gesellschaftlicher Selbststeuerungspotentiale Rechnung zu tragen.“
Verfassungsprinzipien sind als Optimierungsaufgaben zu verstehen, die grundsätzlich offen sind für unterschiedliche Formen der Verwirklichung im politischen Prozess. Dagegen beschränkt die monistische Lehre den im deutschen Staatsrecht grundsätzlich anerkannten Pluralismus von Demokratietheorien und macht – so Bundesverfassungsrichter Brun-Otto Bryde „ein einseitig parteiliches, deutsch-nationales und hierarchisch-etatistisches Demokratieverständnis zur einzig erlaubten Auslegung“.
Jenen Vertretern der monistischen Lehre, die die Aussage des Art. 20 GG, dass alle Staatsgewalt vom „Volke“ ausgeht, weder begriffsjuristisch auslegen noch deutsch-national aufladen, sondern deren zentrales Anliegen die demokratische Gleichheit aller Staatsbürger ist, die sich nur im Wahlakt realisiert, hält Bryde entgegen:
„Eine solche Reduzierung demokratischer Mitwirkung sichert zwar theoretisch Gleichheit, doch der Preis dafür ist hoch. Der Wahlakt ist zwar egalitär, er ist aber zugleich als Steuerungsinstrument staatlicher Willensbildung derart unbestimmt und punktuell, dass er den Einfluss der Bürger auf die Ausübung der Staatsgewalt de facto minimiert. Das Vorhandensein von Legitimationsketten in einem hierarchischen Staatsaufbau legitimiert zwar die Staatsgewalt, doch eben jener hierarchische Aufbau ist für die Steuerung einer zeitgemäßen Verwaltung nicht nur hemmend, sondern zudem auch viel zu schwach. Infolgedessen verselbstständigt sich die Exekutive gegenüber dem Parlament und die Bürokratie gegenüber dem verantwortlichen Minister. So führt die Maximierung der Gleichheit zur Minimierung der Partizipation – und der Bürger wird zum Untertan.“
Hier ist eine Rückbesinnung auf das der Demokratie zugrundeliegende Prinzip der Volkssouveränität dringend erforderlich. Das eigentliche Ziel der Demokratie ist die Sicherung des effektiven Einflusses des Volkes auf die Ausübung der Staatsgewalt. Im Gegensatz hierzu steht das ständig sinkende Vertrauen der Bürger in das politische System und die politische Klasse, weil sie von dem institutionalisierten staatlichen Machtkreislauf faktisch ausgeschlossen sind.
Um dieses Vertrauen wiederzugewinnen, müssen die Bürger reale Möglichkeiten bekommen, sich an Entscheidungen des Staates zu beteiligen: sie mitzubestimmen und mitzuverantworten.
In diesem Sinne äußert sich die ehemalige Hessische Justizministerin und jetzige Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt:
„Damit lassen sich Bedingungen beschreiben, die dazu beitragen, der Demokratie ihre Basis zu sichern….. Informelle Beteiligungen an der politischen Entscheidungsfindung müssen abgelöst werden durch vielfältige, formelle Beteiligungsmöglichkeiten und -formen für Bürger, die als Experten, Betroffene oder Interessierte mitwirken und Verantwortung übernehmen wollen… Das hilft nicht nur, die Akzeplanz demokratischer Entscheidungsfindung zu erhöhen und staatliche Macht durch demokratische Beteiligung zu kontrollieren. Darüber hinaus wird die Problemlösungskompetenz für komplexe Entscheidungen erhöht… Chancenlos erscheint der Versuch, staalliches Handeln im Korsett eines hierarchisch gegliederten Verwaltungsaufbaus zu halten, um … die Idee aufrecht zu erhalten, auch das letzte ausführende Glied einer „Amtswalterkette“ könne seine Entscheidung auf den in Wahlen manifestierten Willen des Volkes zurückführen.“
Angesichts der wachsenden Politik- bzw. Parteienverdrossenheit weiter Kreise der Bevölkerung erscheint es geradezu leichtfertig, wenn der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Mitwirkung als einen verfassungsrechtlich nur in engen Grenzen hinnehmbaren „Störfall für die Demokratie“ ansieht, „weil sie die Regierung und andere demokratisch legitimierte Instanzen daran hindere, parlamentarisch zu verantwortende Entscheidungen zu treffen“, wie Prof. Harro Plander kritisch anmerkt. Er weist dagegen auf die „demokratiefördernden Effekte“ der Mitbestimmung hin, den Erwerb und die Steigerung von Sach- und Sozialkompetenz, von Kommunikations und Kompromissfähigkeit, von Realitätssinn und Verantwortlichkeit:
„Die Mitbestimmung vermag schließlich auch die sogenannte Selbstkompetenz der Beteiligten – die Fähigkeit zu moralisch selbstbestimmtem Handeln – zu fördern; und wiederum kann es zugleich auch für die Demokratie als Staatsform nur förderlich sein, wenn ihre Bürgerinnen und Bürger diese Kompetenz in Feldern gesellschaftlicher Aktivität entfalten…. Die Mitbestimmung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – ebenso wie diejenige der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft – hat wesentlich zur Verankerung und Festigung der Demokratie als Staats- und Lebensform beigetragen. Mitbestimmung ist also nicht nur kein Störfaktor für die Demokratie, sondern im Gegenteil sogar eine ihrer wichtigen Reproduktionsvoraussetzungen.“
Für eine Weiterentwicklung des Demokratieprinzips und die Überwindung des hierarchischen Modells der Verwaltungsorganisation in bestimmten Bereichen sprechen – so Prof. Thomas Blanke – folgende Gründe:
„Grob typisiert lassen sich für die partielle Autonomisierung von Verwaltungseinheiten drei Rechtfertigungsmuster identifizieren: rechtsstaalliche Gründe wie spezielle Kontroll- und Aufsichtsfunktionen (z.B. Rechnungshöfe, Bundesschuldenverwaltung, Bundesbank, Finanzminister, Bundeskartellamt), kommunikativ-kulturelle Grundrechte von Akteuren wie Adressaten, die eine staatsferne Form dieser Institutionen erfordern (z.B. Rundfunk- und Fernsehanstalten, Staatstheater, Wissenschaft und Forschung, Filmförderungsanstalt) sowie persönliche Freiheits- und soziale Entfaltungsgrundrechte von Betroffenen, Mitgliedern sowie Beschäftigten entsprechender Verwaltungseinrichtungen als Grundlage der ihnen eingeräumten Selbstverwaltung oder Partizipation (z.B. die Betroffenen- und Arbeitnehmermitbestimmung im Gesamtbereich der funktionalen Selbstverwaltung wie der Wasserverbände, Kammern und Innungen und der öffentlich-rechtlich organisierten Wirtschaftsunternehmen wie der Sparkassen und Versicherungen sowie des großen Sektors der Sozialversicherungsträger). Es sind damit keine geringeren als die grundlegenden Prinzipien der Verfassung selbst, das Rechtsstaats-, Demokratie- und Sozialstaatsprinzip, die diese Abweichungen vom ´absolutistischen´ Normalmodell der Verwaltungsorganisation tragen.“
Selbst Böckenförde als einer der bedeutendsten Fürsprecher des monistischen Prinzips sieht in neuerer Zeit die Gefahren, die von einer unkritischen Idealisierung der ununterbrochenen Legitimationsketten in der heutigen Parteiendemokratie ausgehen. In seinem Artikel „Die Krise unserer Demokratie verlangt eine Rückbildung des Parteienstaates“ in der FAZ vom 14.02.2000 führt er aus:
„Ein Wahlerfolg stellt nicht die Staatsgewalt in allen Ämtern zur Disposition der Parteien. Das Grundgesetz verbürgt den gleichen Zugang zu allen öffentlichen Ämtern nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Parteipatronage und personelle Machtausdehnung der Parteien sind damit unvereinbar. Sie werden aber – quer durch die Parteien – kontinulerlich geübt. Es genügt ein Blick auf die Wahl der Bundesrichter durch den Richterwahlausschuss, auf die Besetzung hoher Beamtenstellen in der Verwaltung, ja sogar auf die Vergabe von Schulleiterstellen im kommunalen Bereich. Solchen Ausgriffen des Parteienstaates gilt es endlich entgegenzutreten.“
In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Aufsatz von Prof. Thomas Groß von grundlegender Bedeutung, der das Thema „Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Begrenzungen für eine Selbstverwaltung der Justiz“ zum Gegenstand hat (ZRP 1999, S. 361ff). Er gelangt zu dem überzeugenden Ergebnis, dass auf Grund der Gewaltenteilung eine möglichst weitgehende Unabhängigkeit der Judikative von der Exekutive notwendig ist, insbesondere eine Minimierung des exekutiven Einflusses auf Personalentscheidungen in der Justiz:
„Die Auswahl und Beförderung der Richter durch die Exekutive ist ein Relikt des Obrigkeitsstaates… Bei der Ausgestaltung der Personalauswahl im Bereich der Justiz ist ein Verfahren zu wählen, das sowohl die Unabhängigkeitsgarantie berücksichtigt, als auch das Erfordernis demokratischer Legitimation gewährleistet. Da die Einschaltung der Exekutive gewaltenteilungswidrig ist, stellt sich die Frage, ob sie als Ausdruck demokratischer Legitimation zu werten ist.“
Prof. Groß verneint diese Frage, weil Richter nach unserem Verfassungsrecht in ihren Entscheidungen unabhängig sind und sie folglich selbst verantworten. Hierfür trägt die Exekutive keine Verantwortung, denn Regierung und Justizverwaltung sind nach Art. 97 I GG weder weisungsbefugt noch können sie auf Grund von Art. 97 II GG Konsequenzen selbst aus einer (vermeintlich oder tatsächlich) evident rechtswidrigen richterlichen Entscheidung ziehen:
„Wer aber weder lenken noch korrigieren darf, kann keine Legitimation vermitteln. Die verbleibenden Aufgaben der Gerichtsverwaltung außerhalb des Rechtsprechungsauftrags sind funktional von untergeordneter Bedeutung… Sie rechtfertigen keine Einschränkungen der Eigenverantwortlichkeit der Justiz.“
Soweit das Grundgesetz bei der Anstellung der Richter dennoch in Art. 95 II und 98 IV neben der grundsätzlichen Zuständigkeit von Richterwahlausschüssen – die auch für Groß wegen ihrer Anbindung an das Parlament die eigentliche demokratische Legitimation vermitteln die Beteiligung des zuständigen Ministers vorsieht, ist dies eine „vom Grundprinzip abweichende Ausgestaltung der Gewaltenteilung…. die nur historisch zu erklären ist“. Für Groß ist diese Beteiligung der Exekutive daher „restriktiv auszulegen“:
„Für alle [über die Anstellung hinausgehenden] weiteren Statusänderungen innerhalb der Judikative [also die Übertragung hervorgehobener Funktionen – Vorsitz, Präsident – und der Wechsel zu höheren Gerichten innerhalb eines Landes] enthält das Grundgesetz keine speziellen Vorgaben für den Landes- bzw. den Bundesgesetzgeber. Da alle Richter in ihrer Unabhängigkeit gleichberechtigt sind, handelt es sich bei Funktionsänderungen innerhalb der Judikative nicht um Entscheidungen, die einer zusätzlichen externen Legitimation bedürfen… Aufgrund der Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit [ist] ein materielles Auswahlrecht der Exekutive auszuschließen.“
Die Entscheidung über die sogenannten Beförderungen muss daher sowohl aus funktionalen Gründen (Gewaltenteilungsprinzip) als auch aus fachlichen Gründen (die Beurteilung der Eignung erfolgt in erster Linie aufgrund einer Bewertung der bisherigen richterlichen Tätigkeit) durch Richter erfolgen. Auch andere Ausgestaltungen der bisher der Exekutive überlassenen Auswahlverfahren sind nach Groß denkbar. (Beteiligung von Richterwahlausschüssen, Wahl durch das Parlament oder innergerichtliche Wahlverfahren für Spruchkörpervorsitzende und Gerichtspräsidenten).
Zusammenfassend kann festgestellt werden,dass die Forderungen nach einer grundsätzlichen Umgestaltung unserer exekutivfixierten Justizstrukturen in der öffentlichen Diskussion zunehmend eine gewichtige Rolle spielen. Der Ruf nach Selbstverwaltung der Dritten Gewalt ist unüberhörbar geworden,