Die historische Entwicklung des Rechtsstaatsgedankens in Deutschland

Aus dem Text:

„…. Rechtsstaatlichkeit bedeutet, daß die Ausübung staatlicher Macht nur auf der Grundlage der Verfassung und von formell und materiell verfassungsmäßig erlassenen Gesetzen mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zulässig ist ….“

Auszug aus:

Frank Schindler:

Paulus van Husen im Kreisauer Kreis

Seiten 61 bis 74

Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft

Herausgegeben von Alexander Hollerbach . Hans Maier . Paul Mikat

Verlag Ferdinand Schönigh Paderborn . München . Wien . Zürich 1996

 

1. Die historische Entwicklung des Rechtsstaatsgedankens in Deutschland

Der Begriff des Rechtsstaates ist nicht abschließend zu definieren, sondern gehört zu jenen staats- und verfassungstheoretischen Begriffen, die vom Wortsinn her weit sind, damit dem Einfluß sich wandelnder Vorstellungen unterliegen und im Laufe der Geschichte unterschiedliche Konkretisierungen erfahren haben.(4) So betont das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung: „Das Rechtsstaatsprinzip, das in der Verfassung nur zum Teil näher ausgeformt ist, enthält keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote und Verbote; es bedarf der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten; dabei müssen allerdings fundamentale Elemente des Rechtsstaates und die Rechtsstaatlichkeit im ganzen gewahrt bleiben.“(5)

Dieser vom Bundesverfassungsgericht angesprochene Kerngehalt der Rechtsstaatsidee hat sich in der deutschen staatsrechtlichen und verfassungsgeschichtlichen Entwicklung herauskristallisiert.(6) Die entscheidenden Ausprägungen des „Rechtsstaates“ entstammen dabei dem 19. Jahrhundert, welches durch das Streben des deutschen Bürgertums nach rechtlich gesicherten Freiräumen durch Zurückdrängung der Staatsmacht gekennzeichnet ist.(7) Als Kern der Rechtsstaatsidee kann insoweit die Bindung und Mäßigung der Staatsmacht und der Schutz der persönlichen Freiheit angesehen werden. (8) Das 19. Jahrhundert läßt sich hinsichtlich der Entwicklung des Rechtsstaatsgedankens grob in zwei Abschnitte gliedern: Die Zeit des Vormärz (1815 -1840) mit der Ausarbeitung der Frankfurter Paulskirchenverfassung von 1849 als Höhepunkt und die Zeit von 1850 bis zum Ende des Kaiserreichs.

In der frühliberalen Ära des Vormärz verlangte vor allem das durch Besitz, Bildung und soziale Stellung hervorgehobene Bürgertum unter dem Eindruck des Freiheitsgedankens der Französischen Revolution vom Staat Schutz und Stärkung der Individualität im persönlichen und wirtschaftlichen Bereich. Der Aufgabenkreis des Staates sollte zurückgedrängt werden. Das Bürgertum forderte die Mitwirkung an der staatlichen Gesetzgebung und die Aufteilung der staatlichen Gewalt.(9) Basierend auf der vernunftrechtlichen Staatstheorie, insbesondere auf den Gedanken Immanuel Kants(10), wurde der Rechtsstaat als eine Staatsgattung verstanden, als „Staat der Vernunft“(11) bzw. als „Verstandesstaat“(12). Dies beinhaltete zunächst eine Säkularisierung der Staatsvorstellung. Der Staat wurde nicht als göttliche Stiftung oder Ordnung, sondern als gemeines Wesen (res publica) im Interesse des Wohls aller einzelnen verstanden, deren Förderung der legitimierende Grund des Staates ist. Damit ging eine möglichst weitgehende Begrenzung der Staatszwecke auf die Sicherung der Freiheitsrechte und den Eigentumsschutz einher, wobei allerdings auch Gefahrenabwehr und subsidiäre Wohlfahrtsförderung zu den Staatszwecken gerechnet wurden.(13) Besonders wichtige Forderungen waren dementsprechend die nach Grundrechten zum Schutz der persönlichen Freiheitssphäre vor dem Staat: Bürgerliche Freiheit (persönliche Freiheit, Gewissensfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Berufsfreiheit und Gewerbefreiheit), Gleichheit, Eigentumsschutz; nach einer „Repräsentatiwerfassung“ mit einer Volksvertretung und deren Teilnahme an der Gesetzgebung sowie einer Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament; nach Herrschaft der Gesetze insbesondere im Sinne einer Gesetzesbindung der Verwaltung; nach einer Sicherung der Rechtspflege durch unabhängige Richter unter Beteiligung von Bürgern.(14)

Kernpunkt der Verfassung war der rechtsstaatliche Gesetzesbegriff.(15) Er verband sachlich-inhaltliche mit formell-verfahrensmäßigen Elementen. Unter einem Gesetz wurde eine allgemeine Regel (generelle Norm) verstanden, die unter Zustimmung der Volksrepräsentation in einem durch Diskussion und Öffentlichkeit gekennzeichneten Verfahren zustande kommt.(16) Dabei sollten durch die Allgemeinheit des Gesetzes gezielte Eingriffe in den Bereich der bürgerlichen und gesellschaftlichen Freiheit verhindert werden, durch die Zustimmung der Volksvertretung und die öffentliche Diskussion die Freiheit und Subjektstellung des Bürgers sowie ein möglichst vernünftiger, gerechter Gesetzesinhalt gewährleistet werden.(17) Durch die Gesetzesbindung sollte die Staatsgewalt gelenkt und beschränkt werden. Gerade im Strafrecht, dem Bereich, in dem der Staat am stärksten in die Freiheitsrechte der Bürger eingreifen kann, wurde schon 1801 von Feuerbach die „Garantiefunktion des Strafgesetzes“ mit dem Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege“ formuliert.(18) Damit sollte eine Bestrafung nach ungeschriebenem Gewohnheitsrecht, durch unbestimmte und rückwirkende Gesetze, sowie mittels Analogie verhindert werden.(19)

Der ursprüngliche Rechtsstaatsbegriff beinhaltete somit formelle und materielle Elemente. Er stellte eine vernunftrechtlich geprägte Staatsgattung dar, deren Gegenbegriffe Theokratie und Despotie(20) waren, die nicht durch Vernunftsgrundsätze gebunden und begrenzt sind, sondern die Herrschaft einer Religion oder des alleinigen Willens eines Herrschers verkörpern. Der so verstandene Rechtsstaatsbegriff hatte eine freiheitliche, nicht aber unbedingt auch eine demokratische Tendenz. Es wurde erkannt, daß die Despotie auch in der Form einer unbeschränkten Demokratie auftreten kann. Im Vordergrund stand folglich die Sicherung der bürgerlichen Freiheit durch Teilnahme des Bürgertums am Staatsleben, insbesondere durch dessen Beteiligung an der Gesetzgebung.(21)

Die Forderungen dieses ursprünglichen Rechtsstaatsbegriffes verwirklichten sich in der Zeit des Vormärz bereits in einigen Bereichen. So wurden, beginnend mit den Verfassungen des Königreich Bayern und des Großherzogtum Baden 1818, in einige Landesverfassungen Grundrechte aufgenommen. Es wurden Erfolge im Hinblick der Unterordnung der Verwaltung und der Justiz unter das Gesetz erzielt. Die politische Forderung des Parlamentarismus war aber in den deutschen Verfassungen bis 1848 noch nicht verwirklicht. Diese blieben beim monarchischen Prinzip. Die Stände hatten zwar ein Mitwirkungsrecht bei der Gesetzgebung und ein Steuerbewilligungsrecht, aber es gab noch keine Verantwortlichkeit oder gar eine Abhängigkeit der fürstlichen Regierungen gegenüber den Ständen.(22)

In die letztendlich gescheiterte Frankfurter Paulskirchenverfassung vom 28.3.1849(23) flossen dann auf gesamtdeutscher Ebene die rechtsstaatlich-liberalen Forderungen des Bürgertums ein. Die Verfassung wurde auf die verfassungsgebende Gewalt des Volkes gestützt und enthielt Grundrechte, gewaltenteilende und demokratische Elemente.(24) Die Unabhängigkeit der Gerichte wurde besonders geschützt.(25) So sollte z. B. die Administrativjustiz durch Verwaltungsbehörden in Verwaltungsstreitsachen abgeschafft und diese Sachen unabhängigen Gerichten als Kontrollorgane der Verwaltung zugewiesen werden.(26)

Die weitere Entwicklung des Rechtsstaatsdenkens ab 1850 ist durch eine Reduzierung auf den sogenannten formellen Rechtsstaatsbegriff gekennzeichnet. In der Zeit des juristischen Positivismus sollten alle staatstheoretischen und metaphysischen Vorstellungen sowie alles Politische aus dem Rechtsstaatsbegriff ausgeklammert werden. Damit wurde auch die vernunftrechtliche Vorstellung des Rechtsstaats als „Sittlichkeitsstaat“ stark zurückgedrängt.(27) Der Rechtsstaat wurde nicht mehr als besondere Staatsgattung im Gegensatz zu Theokratie und Despotie verstanden, sondern als von Staatszwecken und -inhalten befreites, jedwede politische Herrschaftsgewalt mäßigendes, unpolitisches Formelement. Gegenbegriff war insofern der Polizeistaat des 18. Jahrhunderts.(28) Dies kommt besonders in der klassisch gewordenen Definition des damaligen Rechtsstaatsverständnisses von Friedrich Julius Stahl zum Ausdruck: „Der Staat soll ein Rechtsstaat sein, das ist die Losung und ist auch in Wahrheit der Entwicklungstrieb der neueren Zeit. Er soll die Bahnen und Grenzen seiner Wirksamkeit wie die freie Sphäre seiner Bürger in der Weise des Rechts genau bestimmen und unverbrüchlich sichern und soll die sittlichen Ideen von Staats wegen, also direkt nicht weiter verwirklichen (erzwingen), als es der Rechtssphäre angehört, das ist nur bis zur notwendigsten Umzäunung. Dies ist der Begriff des Rechtsstaates, nicht etwa daß der Staat bloß die Rechtsordnung handhabe ohne administrative Zwecke, oder vollends bloß die Rechte der einzelnen schütze, er bedeutet überhaupt nicht Ziel und Inhalt des Staates, sondern nur Art und Charakter denselben zu verwirklichen.“(29)

Die Reduzierung des Rechtsstaatsbegriffes muß dabei vor dem Hintergrund gesehen werden, daß – bis auf Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz – in ganz Deutschland konstitutionelle Verfassungen geschaffen worden waren, in denen viele programmatische Forderungen des ursprünglichen Rechtsstaatsbegriffs verwirklicht worden waren, wie z.B. die Grundrechte, Gesetzesstaatlichkeit, Unabhängigkeit der Richter. Nunmehr sollten daher vornehmlich formelle und verfahrensmäßige Verbesserungen erreicht werden. Inbesondere die Ausgestaltung des Verwaltungsrechts, die „Gesetzmäßigkeit“ der Verwaltung im Sinne des Vorrangs und Vorbehalts des Gesetzes und ihre gerichtsförmige Sicherung standen im Vordergrund.(30) Nachdem bereits in der Paulskirchenverfassung die Administrativjustiz abgeschafft werden sollte, setzte sich, wesentlich beeinflußt durch Rudolf von Gneist(31), die Idee einer selbständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit durch, die zuerst 1863 in Baden eingeführt wurde.(32) Otto Mayer definierte den so verstandenen Rechtsstaat dementsprechend als „Staat des wohlgeordneten Verwaltungsrechts“.(33)

Auch das Grundrechtsverständnis wandelte sich. So wurde z.B. der Gleichheitssatz der Preußischen Verfassung von 1850 allgemein nicht im Sinne einer Rechtssetzungsgleichheit, eines Willkürverbotes an den Gesetzgeber, verstanden, sondern nur als Gebot gleichmäßiger Anwendung der Gesetze durch die Verwaltung.(34) Dies lag sicher mit daran, daß die Reichsverfassung von 1871 keinen Grundrechtsteil enthielt. Aber entscheidend war hierfür der Durchbruch des formellen Rechtsstaatsdenkens gegenüber materiellen, an Gerechtigkeitsideen orientierten Vorstellungen. Dementsprechend veränderte sich auch der rechtsstaatliche Gesetzesbegriff zu einem formellen. Der Gesetzgeber sollte in seiner Gesetzgebungsmacht nicht beschränkt werden und auch die Allgemeinheit eines Gesetzes wurde nicht mehr als zwingend notwendig angesehen.(35) Der formelle Rechtsstaat kann insoweit zusammenfassend und verkürzt als „Gesetzesstaat“ bezeichnet werden.(36)

Nach dem Sturz der Monarchie in der Novemberrevolution 1918 konstituierte sich mit der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919(37) (WRV) in Deutschland eine auf allgemeinem und gleichem Wahlrecht beruhende Demokratie als Staatsform. Durch die volle Verwirklichung des parlamentarischen Systems, die schon am 28. Oktober 1918 mit der Einführung der parlamentarischen Verantwortlichkeit des Reichskanzlers vorbereitet wurde,(38) waren alle Forderungen des ursprünglichen liberalen Rechtsstaatsverständnis des deutschen Bürgertums erfüllt worden. Die Weimarer Reichsverfassung und die vorherrschende positivistische Staatsrechtslehre knüpften unmittelbar an die Entwicklung des Rechtsstaatsverständnis im Kaiserreich an. Es herrschte weiterhin bis zum Ende der Republik der formelle Rechtsstaatsbegriff.(39) Zwar mehrte sich ab Mitte der zwanziger Jahre mit dem Einsetzen des sogenannten Methoden- bzw. Richtungsstreits in der Staatsrechtslehre(40) die Kritik am Positivismus mit seinen Hauptvertretern Hans Kelsen, Gerhard Anschütz und Richard Thoma und dementsprechend wurden, vor allem durch Hermann Heller(41), auch wieder materielle, an Gerechtigkeitsidealen orientierte Rechtsstaatsvorstellungen geäußert. Eine eigenständige materielle Lehre des Rechtsstaates hat sich aber nicht entwickelt.(42)

Besonders an dem herrschenden Verständnis der Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung verdeutlicht sich das weitere Festhalten am formellen Rechtsstaatsbegriff. Die Grundrechte, die sich zusammen mit den Grundpflichten im zweiten Hauptteil der Verfassung (Art. 109-165) befanden, wurden teilweise als bloße Programmsätze bzw. Richtlinien angesehen, die noch durch das Gesetz aktualisiert werden müßten. Die wichtigsten Freiheitsrechte waren zwar als unmittelbar bindend für den Gesetzgeber anerkannt, und es hatte sich die Auffassung durchgesetzt, daß im Zweifel eine Auslegung Vorrang verdiene, die eine unmittelbar bindende Wirkung der Grundrechte ergebe. Praktisch wurde die „Allmacht des Gesetzgebers“(43) dadurch aber nicht beschränkt. Ihm wurde nämlich eine umfassende Einschränkungsmöglichkeit der Grundrechte zugebilligt. Soweit die Freiheitsrechte unter einfachem Gesetzesvorbehalt standen, wurde die Bindung des Gesetzgebers als leerlaufend betrachtet.(44) Es gab nämlich in der Weimarer Reichsverfassung keine Garantie eines unantastbaren Grundrechtskerns und keine Dogmatik zu den Grenzen des grundrechtseinschränkenden Gesetzes.(45) Auch dem verfassungsändernden Gesetzgeber sollten die Grundrechte, sofern die formellen Voraussetzungen des Art. 76 WRV eingehalten wurden, zur Disposition stehen. Nach der vorherrschenden Ansicht sollte dieser Artikel keine materiellen Grenzen für eine Verfassungsänderung aufstellen.(46) Dementsprechend wurde auch das formelle Verständnis des in Art. 109 Abs. 1 WRV enthaltenen Gleichheitssatzes im Sinne einer bloßen Rechtsanwendungsgleichheit von der anfangs eindeutig herrschenden, später jedoch stark angegriffenen Ansicht beibehalten.(47)

In der Zeit des Nationalsozialismus stürzte der Rechtsstaat in die Willkürherrschaft, die Demokratie in die totalitäre Diktatur ab.(48) Der nationalsozialistische Staat kann nach dem oben dargelegten, seit dem 19. Jahrhundert überlieferten Verständnissen des Begriffes nicht als Rechtsstaat bezeichnet werden. Dies wurde auch von der nationalsozialistisch orientierten Rechtslehre erkannt. Um die neu geschaffene oder noch zu schaffende Rechtsordnung zu legitimieren,(49) wurde deshalb dem formellen, liberalen Weimarer Rechtsstaatsbegriff teilweise der Begriff des „nationalen Rechtsstaats“(50) oder der eines „Rechtsstaats im konkreten Sinne(51) gegenübergestellt, wobei der Rechtsstaatsbegriff damit von seinen grundlegenden Inhalten entlehrt wurde.(52) Für Carl Schmitt sollte dieser Begriff nur noch für eine Übergangszeit bis zur Einführung eines eigenen nationalsozialistischen Begriffssystems eine taktische Bedeutung zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Behördensystems behalten.(53) Ernst Forsthoff lehnte demgegenüber die Übernahme des Begriffes für den nationalsozialistischen Staat ganz ab.(54)

Die entscheidenden Einbruchstellen in die formell nie aufgehobene Weimarer Reichsverfassung waren die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.1933 (Reichstagsbrandverordnung),(55) durch die unter anderem wesentliche Grundrechte der Verfassung außer Kraft gesetzt wurden und der Reichsregierung eine umfassende Eingriffsermächtigung erteilt wurde, mit der sie ihre politischen Gegner ausschalten konnte,(56) sowie das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (Ermächtigungsgesetz) vom 24.3.1933.(57) Durch Art. 1 dieses Gesetzes wurde die Reichsregierung ermächtigt, unabhängig vom Reichstag Gesetze zu erlassen, die nach Art. 2 sogar von der Reichsverfassung abweichen durften, sofern die Rechte des Reichspräsidenten und die Institutionen des Reichstages und des Reichsrates unberührt blieben. Damit schaltete sich der Reichstag selber aus, und das rechtsstaatliche Prinzip der Gewaltenteilung wurde aufgehoben.(58) Spätestens durch das Verhalten Hitlers bei dem sogenannten Röhm-Putsch im Juni 1934 war klar geworden, daß der gewaltenteilende Rechtsstaat durch die Willkürherrschaft Hitlers abgelöst worden war. Als Chef der Exekutive ließ Hitler – unter persönlicher Teilnahme – die Verhaftung der Beschuldigten durchführen, als oberster Gerichtsherr erklärte er – und nicht der seit April 1934 dafür zuständige Volksgerichtshof – die Opfer des Hoch- und Landesverrats für schuldig und ordnete deren Hinrichtung an, als oberster Gesetzgeber erließ er ein Regierungsgesetz(59), welches rückwirkend die vollzogenen Maßnahmen als Staatsnotwehr für rechtmäßig erklärte.(60)

Exemplarisch für die Auflösung der Rechtsstaatlichkeit im materiellen Sinne ist insbesondere die systematische Entrechtung, Verfolgung und Ermordung der Juden und anderer „Fremdvölkischer“(61). Sie wurde durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933(62) eingeleitet, welches in seinen §§ 3 und 15 die Entlassung „nichtarischer“ Beamter vorsah. Die sogenannten Nürnberger Gesetze vom 15. September 1935(63) führten die Entrechtung weiter, indem im Reichsbürgergesetz festgelegt wurde, daß nur Staatsbürger deutschen und artverwandten Blutes „Reichsbürger“ und damit volle Träger der staatsbürgerlichen Rechte (z.B. Wahlrecht, Beschäftigung im öffentlichen Dienst) sein konnten. Das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ verbot die Eheschließung und den außerehelichen Verkehr zwischen Juden und Nichtjuden. Die dreizehn Verordnungen zum Reichsbürgergesetz bewirkten die systematische Ausschließung der Juden aus der Gesellschaft.(64) Ihnen wurde nach der sogenannten Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 nicht nur der Rechtsschutz verweigert, sondern ihnen wurde sogar eine „Sühneleistung“ von einer Milliarde Reichsmark auferlegt, und ihre Versicherungsansprüche wurden beschlagnahmt.(65) Das Endstadium der Entrechtung vollzog sich dann mit der systematischen Ermordung der jüdischen Minderheit.

Damit wurde der Gedanke der Menschenwürde und der Gleichheitssatz aufs schwerste verletzt(66). Diese tatsächliche Entrechtung wurde von einem Grundrechtsverständnis ermöglicht bzw. zumindest erleichtert, welches sich während des Nationalsozialismus eindeutig vom individualrechtlichen, liberalen Verständnis der Grundrechte, als vorstaatliche Abwehrrechte des einzelnen gegen den Staat, abwandte. Ausgehend von der auf „Blut und Boden“ beruhenden Theorie der „völkischen Gemeinschaftsordnung“ wurden jegliche subjektivöffentliche Rechte des einzelnen gegen den Staat verneint. Nur aus der Gliedstellung in der Volksgemeinschaft sollten sich Rechte und Pflichten des einzelnen, die als untrennbare Einheit angesehen wurden, ergeben.(67) Da die Juden und andere Fremdvölkische nicht „arischen“ Blutes waren, standen sie außerhalb der Volksgemeinschaft, und ihnen konnten demgemäß keine Rechte zustehen.

Auch die oben dargestellten Prinzipien der formellen Rechtsstaatlichkeit wurden nicht gewahrt. Dies zeigt sich besonders im Strafrecht und im System des gerichtlichen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte.

Zwar wurde eine geplante umfassende Erneuerung des Strafrechts im nationalsozialistischen Sinne nicht verwirklicht,(68) aber durch die Änderung von Einzelbestimmungen des Strafgesetzbuches und aufgrund des Erlasses einzelner Gesetze und Verordnungen wurde eine große Anzahl nationalsozialistischer Zielsetzungen erreicht. Dabei ist das nationalsozialistische Strafrecht dadurch gekennzeichnet, daß die durch Feuerbach mit dem Grundsatz „nulla poena sine lege“, der in Art. 116 Weimarer Reichsverfassung und § 2 Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) a.F. verbürgt war, herausgearbeitete rechtsstaatliche Garantiefunktion des Strafgesetzes Stück für Stück ausgehöhlt wurde. Bereits durch Gesetz vom 29. März 1933(69) wurde das Rückwirkungsverbot betroffen, da in ihm bestimmt wurde, daß die Reichstagsbrandverordnung, die für bestimmte Straftaten die Todesstrafe eingeführt hatte, rückwirkend auf Handlungen anwendbar sein sollte, die von der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten bis zum Reichstagsbrand begangen worden waren. Das Rückwirkungsverbot wurde anschließend auch hinsichtlich der Strafbegründung vielfach durch den nationalsozialistischen Gesetzgeber außer acht gelassen, obwohl es ab 1935 auch im neuen § 2 a Abs. 1 RStGB enthalten war. Im Schrifttum wurde die Befugnis des Gesetzgebers hierzu nicht angezweifelt, so daß nur noch von einer bloß formellen Geltung des Rückwirkungsverbotes gesprochen werden kann.(70) Durch Gesetz vom 28. Juni 1935(71) wurde dann § 2 Abs. 1 RStGB dahingehend geändert, daß auch derjenige bestraft werden konnte, der nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach dem gesunden Volksempfinden Strafe verdient. Durch die Ausrichtung am gesunden Volksempfinden wurde ein Einfallstor für die nationalsozialistische Weltanschauung und insbesondere für den Willen Hitlers geschaffen(72) und damit die Grundsätze der Schriftlichkeit und Bestimmtheit eines Strafgesetzes ausgehöhlt. Nach Absatz 2 dieser neuen Vorschrift sollte eine Tat nach dem Gesetz bestraft werden, dessen Grundgedanke auf sie am besten zutrifft, wenn auf eine Tat kein bestimmtes Strafgesetz unmittelbar Anwendung fand. Dies bedeutete das Ende des sogenannten Analogieverbotes.(73) Ferner wurden, besonders im Krieg, die Strafen radikal verschärft und die Strafrahmen ausgeweitet. Durch die 5. Verordnung zur Ergänzung des Kriegssonderstrafrechts vom 5. Mai 1944(74) wurde schließlich sogar die Möglichkeit geschaffen, für jede Straftat alle Strafen einschließlich der Todesstrafe zu verhängen, sofern der regelmäßige Strafrahmen nach gesundem Volksempfinden zur Sühne nicht ausreiche. In Verbindung mit der Schaffung neuer Tatbestände von fast unbegrenzter Weite wurde damit der Bestimmtheitsgrundsatz des Strafgesetzes aufgehoben.(75) Der rechtsstaatliche Grundsatz „nulla poena, nullum crimen sine lege“ war damit in sein Gegenteil: „nullum crimen sine poena“ verkehrt worden.(76)

Durch die Abschaffung des Grundsatzes der Gewaltenteilung im diktatorischen Führerstaat wandelte sich auch das Verständnis von der Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit, deren Einrichtung als selbständige, unabhängige gerichtliche Kontrollinstanz der staatlichen Verwaltung eine der Hauptforderungen des bürgerlichen Rechtsstaatsgedankens war.(77) Sie sollte, sofern nicht sogar ihre Abschaffung gefordert wurde, nach der nationalsozialistischen Staatsauffassung von der „völkischen Gemeinschaftsordnung“ nicht mehr Rechtspflege zum Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte durch Kontrolle der Verwaltungstätigkeit des Staates ausüben, sondern die nationalsozialistische Volksordnung als solche schützen und sichern. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit sollte, neben dem Schutz der volksgenössischen Gliedstellung, durch die Sicherung des objektiven Rechts primär eine Hilfsfunktion für die Verwaltung einnehmen, sie als „Rechtswahrer“ steuern und anregen.(78)

) Mit diesen Grundgedanken ging eine Einschränkung der Kompetenzen der Verwaltungsgerichte einher. Zunächst wurde aus dem Führerprinzip geschlossen, daß die Bereiche des politischen Staatshandelns, die politischen Entscheidungen der Führung und die zu ihrer Verwirklichung notwendigen Maßnahmen, keiner Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegen würden.(79) Ferner wurde der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz nach und nach durch verschiedene Maßnahmen eingeschränkt.(80) So wurden z.B. durch § 11 des preußischen Gesetzes über die Anpassung der Landesverwaltung an die Grundsätze des nationalsozialistischen Staates vom 15. Dezember 1933(81) Klagen gegen Maßnahmen der Kommunal- und Schulaufsicht abgeschafft. § 7 des preußischen Gesetzes über die Geheime Staatspolizei vom 10. Februar 1936(82) schloß die verwaltungsgerichtliche Kontrolle gegen Maßnahmen der Gestapo aus. Der „Erlaß des Führers und Reichskanzlers über die Vereinfachung der Verwaltung“ vom 28. August 1939(83) setzte dann als Regelfall die verwaltungsinterne Kontrolle an die Stelle des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Nach Art. IV Abs. 2 dieses Erlasses trat die Beschwerde bei der vorgesetzten Behörde oder der Aufsichtsbehörde an die Stelle einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtung einer Verfügung. Die Behörde konnte im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung oder die besonderen Umstände des Einzelfalles statt der Beschwerde das verwaltungsgerichtliche Verfahren zulassen. Der erläuternde Runderlaß des Reichsinnenministers vom 11.11.1939(84) stellte zwar klar, daß durch den „Führererlaß“ nicht beabsichtigt gewesen sei, die Verwaltungsgerichtsbarkeit praktisch auszuschalten, sondern daß dadurch nur eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Behörden und Verwaltungsgerichten erreicht werden sollte und gab den Behörden Grundsätze für die Ausübung des Ermessens über die Zulassung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an die Hand. Trotzdem war damit die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte in aller Regel von der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde abhängig.(85) Der Erlaß brachte dementsprechend die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Krieg fast vollkommen zum erliegen.(86) In Abs. 3 dieser Bestimmung wurden ferner die Rechtsmittel gegen eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung eingeschränkt.(87) Daneben wurde durch die Zweite Verordnung über die Vereinfachung der Verwaltung vom 6.11.1939 auch die Organisation der Verwaltungsgerichte beschnitten. Durch die §§ 1 und 2 dieser Verordnung wurde die erste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgehoben und deren Aufgaben auf die unteren Verwaltungsbehörden übertragen sowie das Laienelement in der Richterschaft beseitigt.(88)

Nicht nur Funktion und Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte wurden beschränkt, sondern auch die Unabhängigkeit der Richter aller Gerichtszweige, ebenfalls eine der Hauptforderungen des liberalen Rechtsstaatsgedankens und in Art. 102, 104 WRV verbürgt, wurde beeinträchtigt. Die richterliche Unabhängigkeit war dem totalitären nationalsozialistischen Führerstaat ein Dorn im Auge und wurde als Gefahr einer „subversiven Opposition“ gegen den Führerwillen gedeutet.(89) Bereits das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933(90) verletzte den Grundsatz der Unabsetzbarkeit und damit auch der Unabhängigkeit der Richter, indem nach § 4 „Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten,“ aus dem Dienst entlassen werden konnten. Damit sollten politisch Andersdenkende aussortiert werden.(91) Dieses Gesetz wurde nicht, wie erhofft, als einmalige „Säuberungsaktion“ bald aufgehoben, sondern galt bis zur Verkündung des Deutschen Beamtengesetzes von Januar 1937 (DBG)(92), so daß die Entlassungsdrohung weiter über den einzelnen Richtern schwebte.(93) In § 171 DBG war dann zwar festgehalten, daß die Entlassung eines richterlichen Beamten nicht auf den sachlichen Inhalt der richterlichen Entscheidung gestützt werden dürfe. Diese Beschränkung blieb aber praktisch wirkungslos, da nach der Aufassung Hitlers, die im Juli 1938 allen Reichsministern mitgeteilt wurde, § 171 nicht daran hindern sollte, daß auch eine gerichtliche Entscheidung zu einem Amtsenthebungsverfahren gemäß § 71 DBG wegen politischer Unzuverlässigkeit führen könne. (94) Ein weiterer Schlag gegen die richterliche Unabhängigkeit waren die Regelungen in §§ 4 und 5 des Erlasses des Führers und Reichskanzlers über die Errichtung des Reichsverwaltungsgerichts vom 3.4.1941. Danach waren die ordentlichen Mitglieder des Gerichts zum Schluß eines Rechnungsjahres versetzbar, und die außerordentlichen Mitglieder wurden nur auf Zeit abgeordnet.(95) Die entscheidende Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit, die anschließend in der Richterschaft für große Unruhe sorgte(96), erfolgte dann in einer Reichstagssitzung am 26. April 1942, in der sich Hitler über ein seiner Meinung nach zu mildes Strafurteil erregte und ankündigte „Richter, die ersichtlich nicht das Gebot der Stunde erkennen würden, ihres Amtes zu entheben.“ Durch einen Reichstagsbeschluß dieser Sitzung wurde Hitlers Recht bestätigt, jeden Richter „mit allen ihm geeignet erscheinenden Mitteln zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und bei der Verletzung dieser Pflichten nach gewissenhafter Prüfung ohne Rücksicht auf sogenannte wohlerworbene Rechte mit der ihm gebührenden Sühne zu belegen, ihn im besonderen ohne Einleitung vorgeschriebener Verfahren aus seinem Amt, aus seinem Rang und seiner Stellung zu entfernen.“(97) Ab Oktober 1942 wurden dann die Richter mit geheimen und vertraulichen sogenannten Richterbriefen des Reichsjustizministers Thierack versehen, mit denen versucht wurde, die Justiz anhand von beispielhaften Entscheidungen zu lenken.(98)

Nach den Erfahrungen der nationalsozialistischen Zeit war die Wiederherstellung und Weiterentwicklung des Rechtsstaates eine der Hauptaufgaben für die politische Neuordnung nach 1945. Bei der Schaffung des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949(99) spielte dementsprechend der Rechtsstaatsgedanke eine zentrale Rolle.(100) Es wurde an die formelle, bürgerlich-liberale Rechtsstaatstradition angeknüpft, die jedoch um zwei andere Elemente ergänzt wurde.

Zum einen wurden materielle Rechtsstaatselemente in das Grundgesetz aufgenommen, mit denen gewährleistet werden sollte, daß die Bundesrepublik Deutschland der Idee der Gerechtigkeit verpflichtet bleibt und mit denen auf die Entwicklung des Weimarer formellen Rechtsstaates in die nationalsozialistische Diktatur reagiert wurde.(101) Der Schutz der Menschenwürde wurde deshalb in Art. 1 Abs. 1 an die Spitze des Grundgesetzes gestellt. Die Grundrechte sollten ihre ursprüngliche Bedeutung als vorstaatliche Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat wiedererlangen und nicht mehr zur beliebigen Einschränkung und Ausführung durch den Gesetzgeber stehen. Deshalb wurden in Art. 19 Abs. 1 GG formelle Schranken für den Gesetzgeber aufgestellt und in Art. 19 Abs. 2 GG der Wesensgehalt eines Grundrechtes für unantastbar erklärt.(102) In Art. 20 Abs. 3 GG werden die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an „Gesetz und Recht“ gebunden, wobei der Hinweis auf das „Recht“ über das formale Rechtsstaatsverständnis hinausgeht und auf die Idee der Gerechtigkeit verweist.(103) Die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes(104) wird durch die Art. 18 GG (Verwirkung von Grundrechten) und Art. 21 Abs. 2 (Verbot verfassungswidriger Parteien) vor verfassungswidrigen oppositionellen Handlungen geschützt und Art. 79 Abs. 3 GG verbietet Verfassungsänderungen, welche die Grundlagen des Grundgesetzes, insbesondere auch die wesentlichen Grundrechte und das Rechtsstaatsprinzip, beseitigen sollen.(105)

Zum anderen wurde der formellen, liberalen Rechtsstaatsidee der materielle Gedanke der Sozialstaatlichkeit als Staatszielbestimmung zur Seite gestellt. Damit wurde der Gedanke der Verwirklichung einer tatsächlichen Gleichstellung der Bürger, der Schaffung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit, der seit der Sozialgesetzgebung Bismarcks Gegenstand vielfältiger gesetzgeberischer Aktivitäten war und von Hermann Heller(106) zum Ende der Weimarer Republik als Weiterentwicklung des Rechtsstaates gefordert wurde, in Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankert.(107)

Unter dem Grundgesetz werden somit die formellen rechtsstaatlichen Elemente, die wiederaufgenommen und ausgebaut wurden, wie z. B. die Gewaltenteilung, der Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte, insbesondere auch gegen Akte der öffentlichen Gewalt, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Staatshaftung, mit materiellen Elementen verzahnt.(108) Dies kommt in der Definition Sterns treffend zum Ausdruck: „Rechtsstaatlichkeit bedeutet, daß die Ausübung staatlicher Macht nur auf der Grundlage der Verfassung und von formell und materiell verfassungsmäßig erlassenen Gesetzen mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zulässig ist.“(109)

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4. Kunig, s. 3 ff; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 52 f; Karpen, Rechtsstaat, S. 20; Schmidt-Aßmann, in Handbuch des Staatsrechts der BRD, S. 988; Herzog, in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar Bd. II, Art. 20 GG, Abschnitt VII, Rdn 3. Es sind vielfältige Definitionen des Begriffes im Laufe der Geschichte versucht worden, vgl. die Beispiele bei Karpen, S. 19 f und für die neuere Zeit die Definition von Stern, Staatsrecht, S. 781 m.w.N. in FN 114.

5. BVerfGE 65,283,290; mit unterschiedlichem Wortlaut BVerfGE 7,89 (92 f); 25,269 (290); 52, 131 (144); 57,250 (276).

6. Dabei tauchen einzelne rechtsstaatliche Elemente, wie z.B. das Gesetz als Ordnungsprinzip, der Gedanke von Grundrechten, der Rechtsschutz durch Gerichte, schon viel früher seit dem Altertum auf. Vgl. dazu Karpen, Rechtsstaat, S. 56 f; Schmidt-Aßmann, in: Handbuch des Staatsrechts der BRD, S. 992 ff.

7. „Rechtsstaat“ ist eine dem deutschen Sprachraum eigene Wortverbindung, die in anderen Sprachen keine Entsprechung findet. Der Begriff wurde zuerst wohl von Karl Theodor Welcker 1813 gebraucht und von Robert von Mohl 1829 in die allgemeine staatsrechtliche und politische Diskussion eingeführt, vgl. Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 54; Herzog, in: Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Bd. II, Art 20 GG, Abschnitt VII, Rdn 2; Stern, Rechtsstaat, S. 6. Einen gänzlich anderen Ansatz vertritt Preuß (in: Der bürgerliche Rechtsstaat Bd. 1, S. 82 ff), der die Bürokratie als den entscheidenden Motor der Rechtsstaatsidee ansieht.

8. Karpen, Rechtsstaat, S. 20; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 75 f.

9. Karpen, Rechtsstaat, S. 62 ff; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 57 f.

10. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Bd. II, Art 20 GG, Abschnitt VII, Rdn 2; Karpen, Rechtsstaaat, S. 62 f; Schmidt-Aßmann, in: Handbuch des Staatsrechts der BRD, S. 994, Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 56 f; Maus, in: Der bürgerliche Rechtsstaat Bd. 1; S. 15 ff. Hofmann, JuS 1984, S. 9 stellt heraus, daß auch in den vernunftrechtlichen Naturrechtslehren Grotius und Pufendorfs Ansätze liberalen rechtsstaatlichen Denkens vorhanden gewesen seien.

11. Welcker, S. 25, 71 ff.

12. v. Mohl, S. 11, Anm. 3.

13. v. Mohl, S. 8 f; v. Arentin/v. Rotteck, Bd. 2, S. 165 ff; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 55 ff.

14. Karpen, Rechtsstaat, S. 64 ff; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 56, 59; Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Bd. II, Art 20 GG, Abschnitt VII, Rdn 2; Schmidt-Aßmann, in: Handbuch des Staatsrechts der BRD S. 994.

15. Karpen, Rechtsstaat, S. 66 f; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 58 f; Maus, in: Der bürgerliche Rechtsstaat Bd. 1; S. 20.

16. Welcker, in: Staatslexikon, S. 739, 743 ff, v. Mohl, S. 182 ff, v. Arentin/v. Rotteck, Bd. I, S. 169 f;

17. Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 58 f; Karpen, Rechtsstaat, S. 66 f.

18. Feuerbach, S. 24. Zur geschichtlichen Entwicklung dieses Grundsatzes vgl. Schottlaender S. 4 ff; Elvers, S. 5 ff; Pösch, S. 16 ff; Jescheck, S. 86, 117 ff; Leipziger Kommentar/Tröndle, § 1 StGB, Rdn 3 ff.

19. Schottlaender, S. 2 f; Pösch, S. 13 ff; Schönke/Schröder/Eser, §1 StGB, Rdn 6 ff, § 2 StGB, Rdn 1 ff; Jescheck, S. 114, 119 ff.

20. Welcker, S. 11,145 ff; v. Mohl, S. 6 ff; v. Arentin/v. Rotteck, Bd. 1, S. 1 f.

21. Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 58; Karpen, Rechtsstaat, S. 68.

22. Karpen, Rechtsstaat, S. 64 ff.

23. RGBI. 1849, S. 101 ff.

24. Vgl. zu der Verfassung Karpen, Rechtsstaat, S. 71 ff. § 174 ff

25. § 174 ff. Paulskirchenverfassung 1849.

26. § 182 Paulskirchenverfassung 1849. Hinsichtlich dieser Bestimmung ist umstritten, ob sie die Verwaltungsstreitverfahren an die damals allein existierenden ordentlichen Gerichte verweisen und damit einen justizstaatlichen Weg einschlagen wollte oder die Möglichkeit einer selbständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit offen ließ. Vgl. dazu Menger, DÖV 1963, S. 726; Rüfner, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd. 3, S. 910.

27. Karpen, Rechtsstaat, S. 76 ff, Schmidt-Aßmann, in: Handbuch des Staatsrechts der BRD, S. 995 f; Maus, in: Der bürgerliche Rechtsstaat Bd. 1, S. 36 ff; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 59 ff, der die unterschiedlichen Ausprägungen des formellen Rechtsstaatsdenkens bei Friedrich Julius Stahl, Rudolf von Gneist, Otto Bähr und Otto von Gierke herausstellt. Zu Rudolf von Gneist und Otto Bähr vgl. auch Asanger, S. 25 ff, 38 ff.

28. Stahl, S. 138; Mayer, S. 53 ff; Karpen, Rechtsstaat, S. 76, 79, Böckenförde in: Festschrift für Arndt, S. 60, 64.

29. Stahl, S. 137 f.

30. Karpen, Rechtsstaat, S. 76 ff; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 60 f; Maus, in: Der bürgerliche Rechtsstaat, S. 37. Zum Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes vgl. Meyer/Anschütz, S. 759 ff; aus heutiger Sicht vgl. Schmidt-Aßmann, in: Handbuch des Staatsrechts der BRD, S. 1019 ff.

31. Von Gneist forderte eine nach Organisation und Verfahren selbständige, aus der Verwaltung hervorwachsende Verwaltungsgerichtsbarkeit, die besonders Sach- und Ortsnähe aufweisen sollte; v. Gneist, S. 270 ff. Dagegen gab es justizeinheitliche Bestrebungen, die mit dem Namen Otto Bähr verbunden sind und zunächst in den Hansestädten und einigen norddeutschen Kleinstaaten Erfolg hatten; vgl. Menger, DÖV 1963, S. 726 f; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 91 ff.

32. In den verschiedenen Ländern entwickelten sich unterschiedliche Strukturen. Die unteren Instanzen waren überall mit der aktiven Verwaltung verbunden, nur die obersten Instanzen waren in der Regel als unabhängige Gerichte ausgestaltet; vgl. Rüfner, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd. 3, S. 910 ff; Strauch, in: Der bürgerliche Rechtsstaat Bd. 2, S. 531.

33. Mayer, S. 58.

34. Stier-Somlo, Die Grundrechte und Grundpflichten Bd. 1, S. 176 ff; Heller, S. 8 f; Anschütz, S.522f,526f.

35. Laband, Staatsrecht, Bd. 2, S. 2 ff; Jellinek, Gesetz und Verordnung, S. 239; Thoma, JöR 1910, S. 204; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 65.

36. Karpen, Rechtsstaat, S. 77.

37. RGBI. 1919, S. 1383 ff.

38. Art. 15 der Reichsverfassung von 1871 wurde durch folgenden Absatz ergänzt: „Der Reichskanzler bedarf zu seiner Amtsführung des Vertrauens des Reichstages“; RGBI. 1918, S. 1274.

39. Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 66; Karpen, Rechtsstaat, S. 90 f; Meifert, S. 5 ff; einschränkend Maus, in: Der bürgerliche Rechtsstaat Bd.1, S. 38 ff.

40. Zum Methoden- und Richtungsstreit vgl. Friedrich, in: AöR 1977, S. 161 ff.

41. Heller, S. 9 ff.

42. Meifert, S. 5. Das Festhalten am Positivismus durch die herrschende Staatsrechtslehre hatte einen Hauptgrund in dem Bestreben, die Friedensfunktion des positiven Rechts durch die Aufrechterhaltung eines Einigungszwanges im Gesetzgebungsverfahren in einer sozial und weltanschaulich heterogenen Gesellschaft zu bewahren. Eine Berufung auf bestimmte absolute Wertvorstellungen sollte vermieden werden. Vgl. dazu Karpen, Rechtsstaat, S. 91, Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 65 f.

43. Das Reichsgericht gebrauchte insoweit die charakteristische Formulierung, wonach der Gesetzgeber „selbstherrlich ist und an keine weiteren Schranken gebunden ist als diejenigen, die er sich selbst in der Verfassung oder in anderen Gesetzen gezogen hat“; RGZ 118,325 (327). Dies zeigte sich praktisch auch daran, daß gerade in der Nachkriegs- und Inflationszeit eine große Anzahl von Einzelfall- und Maßnahmegesetzen erlassen wurden; vgl. Karpen, Rechtsstaat, S. 89.

44. Anschütz, S. 514 ff; Thoma, in: Verwaltungsrechtliche Abhandlungen, S. 196; einschränkend auf allgemeine Gesetze ders. in: Die Grundrechte und Grundpflichten Bd. 1, S. 33 ff.

45. Thoma, in: Die Grundrechte und Grundpflichten Bd.1, S. 39; Karpen, Rechtsstaat, S. 89; Schäfer, in: Staatsrecht und Staatsrechtslehre im Dritten Reich, S. 107 f.

46. Anschütz, S. 402 ff, Thoma, in: Die Grundrechte und Grundpflichten Bd.1, S. 38 ff mit der Einschränkung, daß Verfassungsdurchbrechungen durch „Maßnahmegesetze“ bei offensichtlichem Mißbrauch unzulässig seien. A.A. Schmitt, Verfassungslehre, S. 175 ff. Vgl. Schäfer, in: Staatsrecht und Staatsrechtslehre im Dritten Reich, S. 107 f.

47. Anschütz, S. 522 ff; Thoma, in: Verwaltungsrechtliche Abhandlungen, S. 217 ff; Erich Kaufmann sprach sich dagegen auf der Münsteraner Staatsrechtslehrertagung 1926 in seinem Referat auch für eine Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz aus. Dies löste eine heftige Diskussion aus, in der sich insbesondere Anschütz, Kelsen und Thoma (dies., in: WDStL 1927, S.47 ff) für die Beibehaltung des positivistischen Verständnisses aussprachen. Vgl. dazu auch den Tagungsbericht von Hollstein, AöR 1926, S. 1 ff. Die Auffassung von der Bindung des Gesetzgebers gewann anschließend zunehmend Anhängerschaft; vgl. Stier-Somlo, in: Die Grundrechte und Grundpflichten Bd. 1, S. 185 ff. Auch bei Rudolf Smend kommt in seinem „Verfassung und Verfassungsrecht“ von 1928 ein gewandeltes Grundrechtsverständnis zum Ausdruck. Ausgehend von seiner Sicht des Gemeinwesens als Integrationsvorgang sah er die Grundrechte nicht nur in ihrer staatsbeschränkenden Funktion, sondern als integrierende Faktoren, die ein Kultur- und Wertsystem der Gemeinschaft proklamieren; Smend, S. 158 ff.

48. Karpen, Rechtsstaat, S. 83 f.

49. Schellenberg, in: Staatsrecht und Staatsrechtslehre im Dritten Reich, S. 71 f.; vgl. auch Kunig, S.13.

50. Koellreutter, DJZ 1934, Sp. 626.

51. Lange, in: Recht und Staat, 1934, S. 10

52. Schellenberg, in: Staatsrecht und Staatsrechtslehre im Dritten Reich, S. 85.

53. Schmitt, ZgStW 1935, S. 197.

54. Forsthoff,JW 1934, S. 538.

55. RGBI.I 1933, S. 83. Die Reichstagsbrandverordnung ist nie aufgehoben worden. Das Dritte Reich stand damit bis zum Ende unter einem Ausnahmezustand. Bereits durch die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz des deutschen Volkes vom 4.2.1933 (RGBI. I 1933, S. 35 ff) waren die Grundrechte der Versammlungs- und Pressefreiheit eingeschränkt worden.

56. § 2 der VO lautete: „Werden in einem Land die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen nicht getroffen, so kann die Reichsregierung insoweit die Befugnisse der obersten Landesbehörden vorübergehend wahrnehmen“. Vgl. dazu Echterhölter, S. 16 f, Gruchmann, S. 21 ff, Kroeschell, S. 70 f.

57. RGBI. I 1933, S. 141. Vgl. dazu Echterhölter, S. 16 f; Gruchmann, S. 22 ff; Kroeschell, S. 71 f.

58. Der Reichstag hat bis zum Beginn des Krieges nur noch 7 Gesetze erlassen und verkam zum bloßen Scheinparlament und Propagandaorgan Hitlers; vgl. Gruchmann, S. 31 ff.

59. RGBl. I 1934, S. 529.

60. Zum Röhm-Putsch vgl. Höhne, S. 247 ff, Gruchmann, S. 51, Schmitt, DJZ 1934, Sp. 945 ff rechtfertigte den Vorgang unter dem Titel „Der Führer schützt das Recht“.

61. Vgl. dazu Majer, Fremdvölkische im Dritten Reich, S. 118 ff.

62. RGBl. I 1933, S. 175 ff.

63. RGBI. I 1935, S. 1146 ff.

64. Gruchmann, S. 52 ff. Zu den vielfältigen Vorschriften über die Diskriminierung der Juden im öffentlichen und privaten Bereich vgl. Walk, S. 1 ff; Hirsch/Majer/Meinck, S. 252 ff. Zur Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Minderheit vgl. Arndt, in: Das Dritte Reich, S. 209 ff; Azzola, in: Recht und Justiz im Dritten Reich, S. 105 ff.

65. Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit vom 12.11.1938 (RGBI. I 1938, S. 1579); Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben vom 12.11.1938 (RGBI. I 1938, S. 1581).

66. Zur Nichtbeachtung des Grundsatzes der Menschenwürde im Nationalsozialismus vgl. Blasius, GWU 1986, S. 133 ff.

67. Scheuner, ZgStW 1939, S. 249 ff; Maunz, ZgStW 1936, S. 92 ff; Huber, ZgStW 1936, S. 443 ff; Stolleis, VfZ 1972, S. 28 ff; Schäfer, in: Staatsrecht und Staatsrechtslehre im Dritten Reich, S. 110 ff; Echterhölter, S. 26 ff.

68. Werle, NJW 1988, S. 2865 ff; Schreiber, in: Recht und Justiz im Dritten Reich, S. 158 ff, 164 ff; Kroeschell, S. 106 ff.

69. RGBI. I 1933, S. 151, sogenannte lex van der Lubbe, welche ermöglichen sollte, den Reichstagsbrandstifter zum Tode zu verurteilen. Die Nationalsozialisten haben sich dabei den Streit um die Auslegung des Art. 116 WRV zunutze gemacht, der nach einer schon in der Weimarer Republik vertretenen Meinung kein Verbot einer rückwirkenden Strafschärfung enthalten sollte, sondern nur das Verbot einer rückwirkenden Strafbegründung; vgl. zum Meinungsstand Gerland, in: Die Grundrechte und Grundpflichten Bd. 1, S. 368 ff, Frank, RStGB, S. 20 Jescheck, S. 118, FN 18.

70. Vgl. Naucke, in: Europ. Rechtsdenken, S. 225 ff; Mittelbach, S. 26 ff; Mezger, S. 40 f; Pösch, S. 61 ff.

71. RGBI. I 1935, S. 839.

72. Freisler, in: Das neue Strafrecht, S. 76 f, Gruchmann, S. 57.

73. Tröndle, in: Leipziger Kommentar, § 1, Rdn 5 f; Schreiber, in: Recht und Justiz im Dritten Reich, S. 161 ff, der darauf hinweist, daß die Rechtsprechung insgesamt von der Möglichkeit der Analogie nur sehr behutsam Gebrauch gemacht habe.

74. RGBI. I 1944, S. 115.

75. Vgl. die ergangenen Bestimmungen bei Hirsch/Majer/Meinck, S. 450 ff; Kroeschell, S. 107 ff; Schreiber, in: Recht und Justiz im Dritten Reich, S. 170 ff.

76. Mittelbach, S. 2 ff, Mezger, S.24 ff; Pösch, S. 61 ff; Tröndle, in: Leipziger Kommentar, § 1 StGB, Rdn 5; Jescheck, S. 118.

77. Die vollkommene Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichte war jedoch auch in der Weimarer Republik nicht erreicht worden. Zwar forderte Art. 107 WRV die Einführung von Verwaltungsgerichten, und dies war bis auf Schaumburg-Lippe in jedem Land geschehen. Der Weimarer Rechtszustand knüpfte aber an die Lage im Kaiserreich an, so daß in den unteren Instanzen eine organisatorische bzw. personelle Verbindung zu den Verwaltungsbehörden bestehen blieb. Vgl. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 92 ff; Grawert, in: System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 35 ff; Menger, DÖV 1963, S. 727 f.

78. Stuckart, Dt.Verw. 1935, S. 161 ff, Poppitz, S. 39 ff, Stolleis, in: Justizalltag im Dritten Reich, S. 26 ff; ders., in: System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 57 ff; Scheerbarth, DÖV 1963, S. 729 ff; Rüfner, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, S. 1100 ff.

79. Stuckart, Dt.Verw. 1935, S. 161 ff, Scheuner, RVerwBI. 1936, S. 442 erkennt, daß eine genaue Festlegung des Kreises der politischen Akte nicht möglich ist. Vgl. dazu auch Echterhölter, S. 50 ff; Rüfner, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, S. 1104 ff.

80. Vgl. zur Beschränkung der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeiten vor allen Dingen im Bereich der „politischen“ Angelegenheiten und bei polizeilichen Maßnahmen Echterhölter, S. 51 ff, Stolleis, in: Justizalltag im Dritten Reich, S. 30 ff; ders., in: System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 64 ff; Scheerbarth, DÖV 1963, S. 730 ff; Rüfner, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, S. 1109 ff.

81. Preußische Gesetzessammlung 1933, S. 479 f.

82. Preußische Gesetzessammlung 1936, S. 21 f. Dieses Gesetz wurde entsprechend im ganzen Reich angewendet und sah eine uferlose Kompetenzerweiterung der Gestapo vor; vgl. Majer, in: Recht und Justiz im Dritten Reich, S. 139 ff, Echterhölter, S. 52, Gruchmann, S. 63.

83. RGBI. I 1939, S. 1535 ff.

84. MBI. des Reichs- und Preutischen Ministeriums des Innern 1939, Sp 2263

85. Nach Art. IV Abs. 4 des Erlasses blieb lediglich das Anfechtungsverfahren gegen einen Steuerbescheid gemäß § 230 der Reichsabgabenordnung uneingeschränkt aufrechterhalten.

86. Rüfner, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd.4, S.1112. Gegen die Versagung der Zulassung durch die Verwaltungsbehörde gab es nach allgemeiner Auffassung kein Rechtsmittel, vgl. RVerwGE 1, 149 ff, 151; Poppitz, S. 20; Stolleis, in: System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 66.

87. Ein Rechtsmittel war danach nur bei ausdrücklicher Zulassung des Gerichtes im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung oder die besonderen Umstände des Einzelfalles statthaft.

88. RGBL I 1939, S. 1537 ff. Vgl. dazu Poppitz, S. 22 ff.

89. Frank, DR 1936, S. 214 ff, Gruchmann, S. 66 f.

90. RGBI. I 1933, S. 175 f.

91. Jüdische Richter waren nach § 3 Abs. I des Gesetzes in den Ruhestand zu versetzen. Frontkämpfer des ersten Weltkrieges wurden nach § 3 Abs. 2 zwar davon ausgenommen, schieden aber aufgrund der 1. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14.11.1935, RGBI. I 1935, S. 1933, mit Ablauf dieses Jahres aus dem Dienst aus. Zur Anwendung des Gesetzes ygl. Kregel, in: Recht und Justiz im Dritten Reich, S. 229 ff; Angermund, S. 50 ff.

92. RGBI.I1937,S.41 ff.

93. Angermund, S. 51, der darauf hinweist (a.a.O. FN 32), daß im Reichsinnenministerium erwogen worden sei, das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums auf Mai oder September 1933 zu terminieren, um die Beamtenschaft nicht zu beunruhigen.

94. Gruchmannn, S. 67 f; Angermund, S. 87 ff. Da nach der nationalsozialistischen Rechtsquellenlehre der Führerwille als höchstrangiges Recht galt, war die gesetzliche Beschränkung des § 171 DBG wirkungslos; vgl. zur nationalsozialistischen Rechtsquellenlehre Rüthers, S. 26 ff.

95. RGBI. I 1941, S. 201 f. Vgl. dazu Scheerbarth, DÖV 1963, S. 732.

96. Vgl. die Quellenauszüge bei Hirsch/Majer/Meinck, S. 511 ff; Angermund, S.248 ff; Kroeschell, S. 113 ff.

97. Hitler, in: Stenographische Berichte des Deutschen Reichstages, 1942, S. 109 ff; RGBI. I 1942,

98. Kroeschell, S. 113 ff, Boberach, Richterbriefe, S. 5 ff. Zu den weiteren Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit der Richter vgL Angermund, S. 91 ff, 220 ff.

99. BGBl.I 1949,S.1ff.

100. Stern, Staatsrecht, S. 776 ff, Schmidt-Aßmann, in: Handbuch des Staatsrechts der BRD, S. 996; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 53; Karpen, Rechtsstaat, S. 97 ff.

101. Kunig, S. 335 ff; Herzog in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Bd. II, Art. 20 GG, Abschnitt VII, Rdn 17; Karpen, Rechtsstaat, S. 97 ff; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 72 ff.

102. Karpen, Rechtsstaat, S. 98 ff, ders., Grundgesetz, S. 70 f.

103. Schmidt-Aßmann, in: Handbuch des Staatsrechts der BRD, S. 1007 ff; Karpen, Rechtsstaat, S.99.

104. Vgl. dazu die Definition des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 2, 1 (12 f).

105.    Maunz/Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar Bd. III, Art. 79 GG, Rdn 32 ff; Karpen, Grundgesetz, S. 31 ff; Schmidt-Aßmann, in: Handbuch des Staatsrechts der BRD, S. 1036.

106. Heller, S. 11

107. Karpen, Grundgesetz, S. 14 ff; Schmidt-Aßmann, in: Handbuch des Staatsrechts der BRD, S.998 f; Böckenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 66 ff, der auf das verfassungsrechtliche Spannungsverhaltnis zwischen Rechtsstaat und Sozialstaat hinweist und den dazu bestehenden Meinungsstand darstellt; vgl. dazu auch Karpen, Grundgesetz, S. 67; ders., Rechtsstaat, S.102 ff; Schmidt-Aßmann, in: Handbuch des Staatsrechts der BRD, S. 1039.

108. Zu den Weiterentwicklungen der formellen Rechtsstaatlichkeit unter dem Grundgesetz vgl. Schmidt-Aßmann, in: Handbuch des Staatsrechts der BRD, S. 1009 ff; Stern, Staatsrecht, S.787 ff. Kritik am materiellen Rechtsstaatsverständnis insbesondere in Form der Weiterentwicklung des Verständnisses der Grundrechte durch die „Wertordnungsrechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts übt Forsthoff, in: Der bürgerliche Rechtsstaat Bd. 1, S. 177 ff. Vgl. dazu Hollerbach, in: der bürgerliche Rechtsstaat Bd. I, S. 206 ff, Karpen, Grundgesetz, S. 71 f Bockenförde, in: Festschrift für Arndt, S. 72 f; Maus, in: Der bürgerliche Rechtsstaat Bd.l, S.47ff.

109. Stern, Staatsrecht, S. 781.