Gewaltenteilung oder: die gute Gewalt

Aus dem Text:

„…. Wir wählen eine Regierung. Und diese Regierung sowie die ihr angeschlossenen Behörden, von der Polizei bis zur Richterin, sind allein berechtigt, Gewalt auszuüben ….“

 

Die Bundeskanzlerin für Kinder zum Thema „Gewaltenteilung“
(http://www.bundeskanzlerin.de/Webs/BK/DE/Fuer-Kinder/Gewaltenteilung/gewaltenteilung.html – Stand 15.09.2007):

 

Gewalt lässt sich teilen? Ist Gewalt nicht das, was wir oft in den Nachrichten sehen? Steine werfende Jugendliche, brennende Autos oder Hooligans. Wenn Gewalt im Spiel ist, scheint immer jemand zu leiden.

Es gibt aber noch eine andere Gewalt: die Staatsgewalt. Um die soll es jetzt gehen.

Die Staatsgewalt und das Volk

Wir leben in einer zivilen, demokratischen Gesellschaft. Und wir haben eine Verfassung – das Grundgesetz. Es räumt jedem Menschen – ob stark oder schwach, reich oder arm, Mann oder Frau, schwarz oder weiß – die gleichen Rechte ein. Außerdem verbietet es, andere zu verletzen, zu berauben oder zu unterdrücken. Der Staat hat die Aufgabe, darüber zu wachen, dass dies alles eingehalten wird. Die Frauen und Männer, die sich das Grundgesetz ausgedacht haben, waren ausgesprochen klug. Sie haben nicht die Gewalt an sich verboten, sondern gesagt: Nur der Staat hat das Recht, Gewalt auszuüben.

Der Staat schützt uns

Der Staat soll, so komisch das klingen mag, schlechte Gewalt verhindern und die Rechte der Einzelnen schützen. Der Staat, so heißt der Fachausdruck, hat das Gewaltmonopol.

Aber woher hat der Staat das Recht, diese Gewalt auszuüben? In der etwas spröden Sprache des Grundgesetzes (Artikel 20) klingt das so: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen … ausgeübt.“ Der Staat bekommt seine Gewalt also von den Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie wählen gehen.

Das heißt auf gut deutsch: Wir wählen eine Regierung. Und diese Regierung sowie die ihr angeschlossenen Behörden, von der Polizei bis zur Richterin, sind allein berechtigt, Gewalt auszuüben.

Kontrolle ist wichtig

Aber in der Regierung, bei der Polizei, an den Schulen arbeiten auch nur Menschen. Diese Menschen haben neben ihren Aufgaben noch eigene Interessen – und Wünsche und Launen und Fehler. Auch das wussten die „Mütter und Väter“ des Grundgesetzes.

Wer kontrolliert eigentlich, ob alle diese Menschen, das heißt der Staat, gute oder schlechte Gewalt ausüben? Hier ist Misstrauen angesagt und Kontrolle gefordert. Das zeigen die Erfahrungen der Geschichte. Könige, Machthaber, Präsidenten oder Führer haben sehr oft schlechte Gewalt ausgeübt. Oder sie haben die ihnen gegebene Gewalt für schlechte Sachen ausgenutzt.

Politische Verantwortung, das heißt Macht und Gewalt über andere Menschen, darf deshalb nur auf Zeit vergeben werden. Darüber hinaus müssen diejenigen, an die sie vergeben wird, kontrolliert werden. Das macht die Demokratie zuweilen sehr anstrengend, ist aber nicht anders möglich.

Schon die Musketiere waren zu dritt

Deshalb gibt es die so genannte Gewaltenteilung, das heißt die Verteilung der „Gewalt“ auf drei verschiedene Stellen. Diese sollen sich gegenseitig kontrollieren.

Die Politikerinnen und Politiker machen die Gesetze. Die Einhaltung dieser Gesetze überwachen aber andere, nämlich die Polizei und die Verwaltungen. Wenn jemand ein Gesetz nicht einhält, sind für die Bestrafung die Gerichte zuständig.

Nicht jeder darf alles

Diese Trennung der Aufgaben hat gute Gründe: Die Polizei glaubt, einen Täter gefasst zu haben. Sie hat also einen Anlass, ihn für schuldig zu halten. Dieser Anlass muss aber geprüft werden. Und das darf man nicht der Polizei selbst überlassen, die vielleicht schon von der Schuld überzeugt ist.

Die Schuld muss also ein Gericht feststellen. Die Gerichte sind unabhängig. Das heißt, niemand darf dem Gericht in seine Arbeit hineinreden oder gar Befehle geben.

Das Gericht stellt fest, ob jemand überhaupt schuldig ist und wie groß seine Schuld ist. Entweder verurteilt es den Angeklagten dann oder spricht ihn frei. Das Gericht schützt ihn aber auch davor, dass die Polizei Gewalt anwendet, die sie gar nicht anwenden darf.

Darum gibt es diese drei Säulen:

  1. die Gesetzgebung (man nennt sie auch „Legislative“)
  2. die vollziehende Gewalt (oder „Exekutive“) und
  3. die Rechtsprechung (oder „Judikative“).

Dies ergibt ein System wechselseitiger Kontrolle. Niemand hat so viel Macht, dass er in die Versuchung kommt, schlechte Gewalt daraus zu machen.

Man sieht also: Demokratie braucht eine Menge Kontrolle, damit niemand zu mächtig wird. Denn wenn einer allein die Macht hat, ist es noch immer übel ausgegangen. Deshalb hat keiner, auch nicht die Kanzlerin, allein das Sagen. Deshalb muss auch die Gewalt, die der Staat hat, „geteilt“ werden.

Die Geschichte von Michael Kohlhaas Schließlich soll uns nicht passieren, was dem armen Michael Kohlhaas im 16. Jahrhundert widerfahren ist:

Kohlhaas war ein Pferdezüchter. Ein junger Adliger klaute ihm zwei seiner Pferde. Das war auch damals schon ein Rechtsbruch. Weil Kohlhaas seine Pferde zurückhaben wollte, zog er vor Gericht. Aber er verlor jeden Prozess. Denn: Die Macht des Adels war nicht geteilt. Der adelige Dieb hatte auch Macht über die Gerichte.

Die Adligen herrschten damals eben absolut, weshalb man die damalige Zeit heute Absolutismus nennt. Die Gesetze galten nicht für alle Menschen auf gleiche Weise. Übrigens ist die Geschichte mit dem Kohlhaas dann noch ganz übel ausgegangen. Doch dass sollte man besser selbst nachlesen …

Diese Zeiten sind glücklicherweise vorüber. Die Menschen haben daraus gelernt und die Gewalt der Herrschenden geteilt. Höchstwahrscheinlich würde Kohlhaas heute schon vom ersten Richter Recht bekommen und der Pferdedieb verurteilt werden.

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