Die Staatsanwaltschaft als Strafvereitelungsbehörde?

Die Staatsanwaltschaft als Strafvereitelungsbehörde?

Zitat aus dem nachfolgenden Text der Landtags-Drucksache 3/9000:

„…. Wenn es um die Mächtigen im Freistaat geht, ist die sächsische Staatsanwaltschaft zur institutionalisierten Strafvereitelungsbehörde geworden. Welch furchtbarerer Rückschritt gegenüber dem, wofür die Menschen in diesem Lande 1989 auf die Straße gegangen sind, auch Mitglieder und spätere Mitglieder der CDU, die heute parteiintern als „Revolutionsadel“ belächelt und verspottet werden! ….“

 

Plenarprotokoll 3/100

Sächsischer Landtag

100. Sitzung

Beginn: 10.01 Uhr

Dresden, 5. Februar 2004, Plenarsaal

3. Wahlperiode

Schluss: 20.08 Uhr

Tagesordnungspunkt 7

Bericht des 1. Untersuchungsausschusses zum Antrag von 30 Abgeordneten der Fraktion der PDS (Drucksache 3/1564), Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „Einflussnahme des Ministerpräsidenten und weiterer Mitglieder der Staatsregierung auf den Abschluss von Mietverträgen durch den Freistaat Sachsen für das Behördenzentrum Leipzig-Paunsdorf zum Nachteil des Freistaates Sachsen“ sowie abweichende Berichte der Fraktionen der PDS und der SPD

Drucksache 3/9000, Unterrichtung durch den 1. Untersuchungsausschuss der 3. Wahlperiode

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Das Präsidium hat dafür eine Redezeit von 20 Minuten je Fraktion festgelegt. Reihenfolge in der ersten Runde: PDS, CDU, SPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

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1. Vizepräsidentin Frau Dombois: Die SPD-Fraktion, bitte; Herr Nolle.

 

Nolle, SPD:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Rohwer! Das Märchen, das Sie uns hier eben aufgetischt haben, dass kein Schaden entstanden sein soll, glaubt noch nicht einmal der Ex-Ministerpräsident; denn er hat ausweislich des Protokolls der Vernehmung eingeräumt, dass mindestens der Schaden entstanden ist, den der Rechnungshof festgestellt hat, und der beläuft sich auf ca. 30 Millionen DM. Wenn das nichts ist, wenn das kein Schaden ist, dann weiß ich nicht!

(Beifall bei SPD und PDS – Prof. Dr. Porsch, PDS: Hört, hört!)

Und das wissen Sie genau!

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 14.4. des Jahres 2000 eröffnete mir meine Kollegin Gudrun Klein, dass ein Untersuchungsausschuss in Sachsen nur dann Erfolg versprechend sei, wenn

1. der verdächtige Sachverhalt eigentlich nahezu erwiesen ist,

2. die entscheidenden Akten der Staatsregierung aus anderer Quelle bereits vorliegen,

3. man bereits über bombensichere Zeugen ohne Eigeninteresse verfüge,

4. die Legislaturperiode noch jung sei.

Nur dann könne es gelingen, sagte sie, kriminelles Verhalten aufzuklären und publik zu machen. Ich habe dies ich muss zugeben, naiv, wie ich damals war in unserer Demokratie nicht für möglich und für einen Rechtsstaat nicht für würdig gehalten. Heute nach Erfahrungen in zwei Untersuchungsausschüssen und im Erlebnis dessen, dass die CDU-Mehrheitsfraktion aber auch nicht die Bohne Aufklärungs- und demokratisches Kontrollinteresse zeigen will kann ich meiner Kollegin von damals nur zustimmen.

(Beifall bei SPD und PDS)

Ja, es gab schon Erfahrungen in der 2. Legislaturperiode mit Sachsenmilch, mit dem Privatisierungsmief des Abwasserzweckverbandes Beilrode-Arzberg, von dem es aus der CDU heute immer noch heißt, es handele sich um einen handfesten Parteispendenskandal. Wir kannten auch schon den „Schwarze-Liste-Minister Meyer“, für den das Stasi-Unterlagen-Gesetz vorsichtshalber nicht galt und von dem gerichtlich festgestellt gesagt werden darf, meine Damen und Herren von der CDU, er habe das Parlament belogen.

So wurde vor fast drei Jahren mit diesem Ausschuss begonnen, was scheinbar schon zum Scheitern verurteilt war. Aber dann wurde doch alles ganz anders. Grund dafür war ein wohl irrtümlicherweise übersandter Aktenordner des Investors Heinz Barth. Die ersten 65 Seiten des insgesamt 350 Blatt umfassenden Ordners offenbarten, was wohl die kühnsten Träume eines jeden Staatsanwaltes außerhalb Sachsens zum Glühen bringen würde.

(Heiterkeit bei der PDS)

Jahrelanges Leugnen, Vertuschen, Falschaussagen selbst des Ministerpräsidenten Biedenkopf, das Verschwinden von Akten der Staatskanzlei bis zum Belügen des Parlamentes bei Antworten auf Anfragen der SPD-Fraktion das alles hatte nach diesem „Giftordner“, wie er genannt wurde, seit der dritten Novemberwoche 2001 nichts mehr genützt.

Heute wissen wir, dass die Genehmigung und Planung von Paunsdorf nicht zum Wohle Sachsens erfolgte, sondern zum Wohle von Heinz Barth.

(Beifall bei SPD und PDS Prof. Dr. Porsch, PDS: Sehr richtig!)

Heute wissen wir, dass die Konzentration der Behörden umgangssprachlich das ,,Vollmieten“ von Paunsdorf nicht zum Wohle der dort Tätigen erfolgte, sondern zum Wohle von Heinz Barth. Heute wissen wir, dass der Investor über den Ministerpräsidenten die überhöhten Mietpreise bestimmt hat zu seinem eigenen Wohle. Heute wissen wir, dass der Ministerpräsident die Konditionen des späteren Ankaufpreises zum Nachteil des Freistaates verändert hat natürlich zum Wohle von Heinz Barth.

Meine Damen und Herren, dies alles wissen wir wegen eines unglaublichen Zufalls, den uns ein vermutliches Kanzleiversehen des Barth-Anwaltes beschert hat. Doch warum sind solche Erkenntnisse eigentlich von Zufällen abhängig? Ich sage Ihnen warum: weil korrupte, absolut korrumpierte Macht sich deckt, duckt, verschleiert und täuscht.

(Beifall bei SPD und PDS)

Kein Finanzminister, kein Abteilungsleiter, kein Mitarbeiter wagte zu widersprechen. Kein Abgeordneter der Mehrheitsfraktion, meine Damen und Herren von der CDU, wagte zu untersuchen. Kein Staatsanwalt wagte zu ermitteln und wagt es bis heute nicht. Ein solcher Art absolutistisches System wie das System Biedenkopf erstickt alle Möglichkeiten von Kontrolle und Korrektur.

(Beifall bei SPD und PDS)

Den „Verlust jeglicher Selbstheilungs- und Selbstreinigungskräfte der sächsischen Christdemokraten“ hat es der Chefredakteur der „Freien Presse“, Dieter Soika, in einem beachtlichen Kommentar einmal genannt, den Verlust jeglicher Selbstheilungs- und Selbstreinigungskräfte bei den Christdemokraten in Sachsen.

Meine Damen und Herren! Das, was sich im Barth-Schriftverkehr, und nicht nur in einem Brief, des ehemaligen MP Kurt Hans mit seinem Freund Heinz aus Köln offenbarte, war die plumpe Behandlung des Freistaates Sachsen als politische Beute und das Verteilen der finanziellen staatlichen Ressourcen in private Hände.

(Beifall bei SPD und PDS Prof. Dr. Porsch, PDS: Sehr richtig!)

Das war kein Einzelfall, das war das Bauprinzip der absoluten CDUHerrschaft.

Nehmen wir ein weiteres Beispiel: das Herz und Kreislaufzentrum, ein Projekt von Biedenkopf-Freund Roland Ernst, dem Heinz Barth des Dresdner Herzzentrums, der auch bei Sachsenmilch seine Finger drin hatte. Wer weiß noch, dass der damalige Finanzminister dieses Modell im Finanzausschuss nicht bereit war selbst vorzustellen? Wer weiß noch, dass Biedenkopf die Frage der Zustimmung innerhalb der CDU-Fraktion mit seiner persönlichen Drohung, andernfalls zurückzutreten, verbunden hat?

(Zuruf des Staatsministers Prof. Dr. Mannsfeld)

Wer das weiß, der mag ahnen, wie auf jeden Einzelnen Druck ausgeübt worden ist. Wer dann noch weiß, dass diesem Roland Ernst unter Anleitung des Finanzministers eine Steuerschuld in zweistelliger Millionenhöhe erlassen wurde, der sieht das Grundproblem. Auch heute steht an der Spitze des Freistaates ein Politiker, der damals fleißig mitgemacht hat.

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Hört, hört!)

Gewehrt hat sich von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, keiner. Warum sollten Sie auch die Hand, die Sie füttert, beißen?

(Lachen bei der SPD)

Sie waren es, die sich um des eigenen Verbleibens an der Macht, um der eigenen sicheren Zukunft eines Landtagsmandates willen haben korrumpieren lassen. Genau das ist es, was man mit dem schwarzen Schleier über Sachsen richtig beschreibt: Es ist ein schwarzer Schleier aus wechselseitigen Abhängigkeiten, des Nichtausübens gegenseitiger Kontrolle, aus Parteiräson, und des wechselseitigen Nutzens von Vorteilen eigener Machtstrukturen.

(Beifall bei der SPD Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Dies aufzubauen und zu perfektionieren das haben Sie bisher sehr erfolgreich vermocht. Sind Sie nicht damals für Wahrheit und Klarheit auf die Straße gegangen?

(Dr. Hahn, PDS: Schon lange nicht mehr! Zuruf von der CDU)

Erinnern Sie sich noch an die Transparente, die damals manche von Ihnen getragen haben, meine Damen und Herren von der CDU? Alle wesentlichen Ämter in Sachsen von ganz unten bis ganz oben sind mit dem gleichen Parteigesangbuch durchorganisiert und der Dienstweg der Rechtsaufsicht durch den internen Parteiweg ersetzt. An dieser Wirklichkeit einer Staatspartei in Sachsen nimmt die Demokratie, für die die Menschen 1989 auf die Straße gegangen sind, schleichenden Schaden.

(Beifall des Abg. Jurk, SPD Beifall bei der PDS)

Willy Brandt hat einmal gesagt, Demokratie bedeutet Kontrolle von Macht und das heißt natürlich Kontrolle der Regierung. Diese Kontrolle findet aber offenkundig nicht statt durch eine CDU-Mehrheitsfraktion in diesem Parlament, die sich offensichtlich dafür entschieden hat, ein Abnickverein mit Pensionsanspruch zu sein.

(Heiterkeit bei SPD und PDS)

Jeder weiß, dass Demokratie in einem Rechtsstaat so nicht funktioniert und so nicht funktionieren kann genauso wie jeder weiß, dass ein Ministerpräsident nicht lügen darf. Jeder weiß, dass ein Ministerpräsident nicht in einer Villa wohnen kann mit sieben Bediensteten und das nur zur Plattenmiete. Jeder weiß, dass Dienstkarossen keine schwarzen Taxen sind, um Mehl oder Zucker von Aldi zu holen oder Enkelkinder vom Kindergarten abzuholen.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

Genauso wie jeder weiß, dass Hangwasser eben nicht gleich Hochwasser ist. Genauso wie der jetzige Ministerpräsident gemerkt hat, dass sein Olympia-Staatssekretär nicht den Unterschied zwischen dienstlich und privat kennen wollte, als es um viel Geld ging. Aber die Entlassung von Köhler war offensichtlich nur ein Irrtum und wir hatten gehofft, es wäre Einsicht Herr Ministerpräsident Georg Milbradt, der Sie heute leider nicht hier sind. Eben noch als Staatssekretär nach Hause geschickt und die Tinte der Ermittlung ist noch nicht trocken schon gratulieren Sie ihm herzlich zur Nominierung als Wahlkreiskandidat, ohne Schamfrist.

(Beifall bei SPD und PDS)

Nichts verstanden, nichts gelernt, nichts gewusst!

Aber ich kann Ihnen helfen, meine Damen und Herren von der CDU. Im „Mannheimer Morgen“ konnte man am 29. November 1989 lesen, was Wolfram Köhler für sich erkannt hat Zitat: „Du hast nur die Wahl, entweder Geldgeber oder Geldnehmer zu sein.“

(Beifall des Abg. Jurk, SPD Lachen und Beifall bei der PDS)

Da wird einem vieles klar, meine Damen und Herren von der CDU. Und es kommt noch dicker: „Was wir brauchen,“ sagt er in einem Interview „ist das Gefühl: Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.“ Und weiter: „Nur in deutschsprachigen Texten sind deutsche Gedanken begraben.“

Und dann sagt er noch, dass er gern Wirtschaftsminister werden möchte.

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Ich bin stolz, dass er es nicht geworden ist!)

Alles nachzulesen im „Mannheimer Morgen“!

Nun ist Herr Gillo leider nicht da, aber ich sage: Mit Verlaub, Herr Gillo, wenn ich mir die köhlerschen Freundlichkeiten in Sachen Sandig anschaue, dann sollten Sie in den nächsten Monaten keine Auslandsreisen unternehmen; sonst sitzt, wenn Sie zurückkommen, der Fröhlichunbeschwerte, bis auf die Knochen deutsche Bänkelsänger auf Ihrem Stuhl. Na dann prost, Sachsen!

(Beifall bei SPD und PDS)

Meine Damen und Herren! Viele Menschen fragen sich: Warum muss ich korrekt sein, wenn denen da oben alles nachgesehen wird? Weil im Fall Paunsdorf fast komplizenhaftes Einverständnis bestand, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu unterbinden.

Zunächst wollte oder durfte die Staatsanwaltschaft den konkreten Ermittlungshinweisen des Landeskriminalamtes nicht folgen. Stattdessen wurde ein Vorermittlungsverfahren übrigens von der Strafprozessordnung gar nicht vorgesehen! mit einem Umfang von 30 Aktenordnern angelegt.

Dann meinte die Leipziger Staatsanwaltschaft, dass die Verjährung drohe. Aus der Generalstaatsanwaltschaft wurde zunächst geäußert, man solle mit einer Beschuldigtenvernehmung die Verjährung unterbrechen. Als man sich aber bewusst wurde, dass womöglich der Ministerpräsident zu vernehmen sei, hieß es plötzlich wörtlich, dann solle man es wohl besser lassen, wie es ist.

Es ist wirklich die Frage, ob wir heute an dem Punkt wären, an dem wir sind, hätte die Staatsanwältin damals den einen einzigen Aktenordner von Heinz Barth bei einer Durchsuchung gefunden.

(Beifall bei der SPD Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Eines Untersuchungsausschusses hätte es sicherlich nicht mehr bedurft; vielleicht eher der Nachfrage, wohin die Ehefrauen der Betroffenen den Kuchen bringen sollen und wie die Besuchszeiten zu regeln sind.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD und PDS)

Meine Damen und Herren! Ich kann uns heute die Frage nicht ersparen: Warum wurde in der Vergangenheit konsequent nicht aufgeklärt, was der Aufklärung bedürftig war? Warum konnte eine Situation entstehen, in der man sich nun auf Verjährung meint berufen zu können? Die Antwort ist ebenso traurig wie offenkundig: Die Justiz genauer: die an die Weisungen des Justizministers gebundene Staatsanwaltschaft, noch genauer: die Generalstaatsanwaltschaft hat ihre Arbeit nicht getan, weil sie entweder versagt hat oder daran gehindert worden ist.

(Dr. Hahn, PDS: Ja!)

Der Generalstaatsanwalt Schwalm und seine Staatsanwälte fanden zwar Zeit, den Sächsischen Datenschutzbeauftragten Dr. Giesen vor Gericht zu bringen und ein unsinniges Verfahren bis hin zum Bundesgerichtshof zu treiben;

(Beifall bei der SPD Vereinzelt Beifall bei der PDS)

aber die hier in Rede stehenden Vorwürfe wegen Paunsdorf werden teils in vorauseilendem Gehorsam, teils auf Bitten von oben nicht verfolgt. Nennen die Juristen dies nicht Strafvereitelung im Amt?

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Nur wenn sie dürfen!)

Und was macht das Justizministerium, das doch sonst seinen Generalstaatsanwalt am engen Zügel führt?

(Staatsminister Dr. de Maizire: Was?)

In Sachsen tut man so, als ob man mit der Sache nichts zu tun habe. Es wird gedeckt, was nicht gedeckt werden darf. Das ist Korruption auf der Ebene der Aufsichtsorgane!

Und was macht der Justizminister? Er hat die Chance des neuen Amtes nicht genutzt, um das, was an seinem Erbe anrüchig war, so aufzuarbeiten, dass wir alle uns in einem Staat lebend fühlen können, der ohne Ansehen der Person gegen Korruption einschreitet.

Der Justizminister arbeitet aber nicht nur die schmutzige Vergangenheit nicht auf; er setzt sogar noch einen drauf! Nun verkündet er mit staatsmännischem Gestus: Seine Integrierte Korruptionstruppe, die auf den medienwirksamen Namen „Ines“ hört, wird sich sogar mit den Dunkelfeldern der Korruption beschäftigen. Welch tolle Botschaft!

Aber wie steht es mit den Dunkelfeldern bei Paunsdorf?, fragt sich der überraschte Bürger. Warum konnte Herr de Maizire erst jetzt auf das kommen, was doch so nahe liegend war?

(Dr. Hahn, PDS: Jetzt ist es ja verjährt!)

Aber kommt er wirklich drauf? Die „Ines“Truppe bei der Staatsanwaltschaft soll unter anderem zehn Staatsanwälte umfassen. Wo sind diese zehn Staatsanwälte? Bestimmt nicht bei der jetzt schon restlos unterbesetzten Staatsanwaltschaft Dresden, die nach meinen Erkenntnissen allein bis zu acht Ausfälle wegen Mutterschutzes zu verkraften hat.

(Staatsminister Dr. de Maizire: Sieben!)

Oder wird der Justizminister ein paar rotierende Sozial-, Arbeits- oder Verwaltungsrichter, die noch nie eine Staatsanwaltschaft von innen gesehen haben, zu seiner angeblich hoch spezialisierten „Ines“Truppe beordern?

(Prof. Dr. Porsch, PDS: Oder Herrn Kaminski?)

Noch nicht einmal in seinem von der CDU-Fraktion bestellten Bericht vom 28.1.2004, den wir morgen auf der Tagesordnung haben, hat dieser Justizminister sich veranlasst gesehen, für die angeblich neuen Aufgaben auch neue Stellen zu verlangen, wofür jeder Verständnis aufbringen würde.

(Eißler, PDS: Verwaltungsmodernisierung!)

Er räumt sogar ein, dass „Ines“ bis zum 1. März 2004 zunächst nur mit der Hälfte des vorgesehenen Personals anfangen soll. Das ist unseriös und eine beachtliche Steigerung zum Schlechten hin. Die Justizminister Heitmann und Kolbe haben angesichts der Umstände wenigstens den Mund gehalten und kaum aus schlechtem Gewissen, sondern wohl eher aus der Arroganz der sicheren absoluten Mehrheit heraus. Aber Herr de Maizire redet die Lage schön und versucht im Landtag und vor den Bürgern sich als großer, begnadeter Korruptionsbekämpfer zu präsentieren.

(Beifall des Abg. Eißler, PDS)

Das ist Politik zum Abgewöhnen, ein Missbrauch des Amtes für die eigenen Karrierezwecke und Ausdruck einer geistigen Korruptheit, die unter anderem die Mutter aller Korruption ist.

(Beifall des Abg. Eißler, PDS)

Die Staatsanwaltschaft versucht in letzter Zeit nicht mehr, den hohen oder gar dringenden Verdacht zu leugnen, dass bei Abschluss der Paunsdorf-Verträge der Freistaat durch Untreue der Verantwortlichen geschädigt wurde. Auf die sehenden Auges zugelassene Verjährung wird verwiesen.

Aber nicht einmal das ist richtig! Wir können es heute in einem Beitrag von Thomas Schade in der „Sächsischen Zeitung“ nachlesen. Das sollten Sie einmal tun, meine Damen und Herren! „Die Annahme einer Verjährung entspricht nicht dem Stand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.“

(Beifall bei SPD und PDS)

So sagt es der höchst angesehene Dresdner Strafrechtsprofessor Dr. Knut Amelung. Es kann auch gar nicht anders sein! Wenn der Freistaat jeden Monat eine überhöhte Miete zahlen muss, was auch der Rechnungshof festgestellt hat, können sich die Verantwortlichen nicht gleichzeitig hohnlachend auf die Verjährung ihrer Taten berufen. So wie die Entscheidungen der weisungsabhängigen Staatsanwälte dem Urteil des unabhängigen Rechtswissenschaftlers nicht standhalten, so wenig hätten die Konstruktionen der verfolgungsscheuen Staatsanwälte vor unabhängigen Gerichten eine Erfolgsaussicht. Deshalb wird, wenn es um die Mächtigen geht, nicht richtig ermittelt und schon gar nicht angeklagt, wie es sich gehören würde.

Mit Verlaub: Heute ist nicht der Tag, Nettigkeiten zu verteilen. Deshalb sage ich: Wenn es um die Mächtigen im Freistaat geht, ist die sächsische Staatsanwaltschaft zur institutionalisierten Strafvereitelungsbehörde geworden. Welch furchtbarerer Rückschritt gegenüber dem, wofür die Menschen in diesem Lande 1989 auf die Straße gegangen sind, auch Mitglieder und spätere Mitglieder der CDU, die heute parteiintern als „Revolutionsadel“ belächelt und verspottet werden!

Herr Ministerpräsident Milbradt, um Ihre Regierung sind Sie nicht zu beneiden. Der Innenminister sitzt auf einem Geschäftsbereich, in dem es in den verschiedensten Ecken wild zur Sache geht. Der Justizminister versucht, sich Korruption – die Landtagswahl fest im Blick – zum Zwecke der billigen Selbsterhöhung zunutze zu machen. Wenn es Ihnen mit dem Kampf gegen die Korruption ernst wäre, würden sie auf beide Herren verzichten, ehe es zu spät ist.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Doch es kommt noch schlimmer! Was hat Kurt Biedenkopf im Untersuchungsausschuss gesagt: „Für die schlechten Verträge trägt allein der Finanzminister die Verantwortung.“ Herr Milbradt, haben Sie nur geduldet und weggeschaut oder haben Sie bei Biedenkopfs Monopoly aktiv mitgemacht? Sie waren doch von Anfang an dabei. Sie kannten die Verhältnisse in der Schevenstraße und legten Jahr für Jahr einen Haushalt vor, der Zuwendungen in Gestalt von Koch und Putzfrau, Diener und Gärtner an den Ministerpräsidenten nicht vorsah. Irgendwann haben Sie sich aus der Wohngemeinschaft verkrümelt. Sie kannten die Tücken der PaunsdorfVerträge für den Freistaat. Sie wussten als kühler Rechner genau, dass diese Bedingungen ein Geschenk für Heinz Barth waren. Sie waren doch Finanzminister, als Roland Ernst trotz Intervention der Stuttgarter Steuerfahndung Steuerschulden in Höhe von 20 Millionen erlassen wurden. Sie waren des Ministerpräsidenten Freund, Vertrauter, Gehilfe, Weggefährte bis er Ihren eigenen Ambitionen im Wege stand.

Es folgten Ihre Entlassung und der lange Weg in Ihr heutiges Amt ausgerechnet in der Zeit, in der in Sachen Paunsdorf, Schevenstraße und der anderen kleinen und großen Skandale mehr aus dem Innern des Systems Biedenkopf zutage trat als in den letzten zehn Jahren davor.

Ich habe gegen die Einstellung der Ermittlungen wegen angeblicher Verjährung den vorgesehenen Rechtsweg der Beschwerde zum Generalstaatsanwalt beschritten, so wie ich schon in meiner Strafanzeige ausdrücklich auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hinwies, die in Sachsen wohl nicht gelten soll.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Für den Fall, dass es erforderlich ist, prüfen wir, ob wir als Abgeordnete wegen Untätigkeit der Staatsanwaltschaft und der Regierung die Rechte des Parlaments und des geschädigten Freistaates geltend machen können, indem wir durch ein Klageerzwingungsverfahren vor dem Oberlandesgericht die Sache endlich der Prüfung durch unabhängige, keiner Weisung der Regierung unterworfene Richter zuführen.

Ich komme zum Schluss. Wie objektiv Staatsanwälte arbeiten können, sehen Sie am Beispiel NordrheinWestfalens. Die Unrechtmäßigkeiten der Finanzierung der Kölner Parteien wurden und werden konsequent aufgeklärt bei der Regierungspartei SPD genauso wie bei der CDU. Dass die sächsische Justiz genauso viel Entschlossenheit bei der Aufklärung der Spendenaffäre der Leipziger CDU an den Tag legen wird, ist nach den Erfahrungen mit Paunsdorf leider nicht zu erwarten.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

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