Stellungnahme Nr. 10(2007) des Beirats der Europäischen Richter

Stellungnahme Nr. 10(2007) des Beirats der Europäischen Richter (CCJE) an das Ministerkomitee des Europarats über den Justizverwaltungsrat im Dienst der Gemeinschaft


Diese Stellungnahme ist vom CCJE
bei seiner 8. Sitzung angenommen worden (Straßburg, 21. 23. November 2007)

 

EUROPARAT

Strasbourg, 23. Novembre 2007

Beirat der Europäischen Richter (CCJE)

 

I. EINLEITUNG

1. Im Jahr 2007 hat das Ministerkomitee des Europarats den Beirat europäischer Richterinnen und Richter (CCJE) beauftragt, eine Stellungnahme zur Struktur und Rolle des obersten Richterrates oder eines anderen gleichwertigen unabhängigen Organs als unabdingbaren Bestandteil eines Rechtsstaates anzunehmen, um ein Gleichgewicht zwischen der gesetzgebenden, der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt herzustellen.

2. Die Vielfalt der europäischen Systeme spiegelt sich in der Wahl der Staaten und den Debatten über die Bezeichnung der Instanzen wider, die als Garanten der richterlichen Unabhängigkeit fungieren. Zum besseren Verständnis dieser Stellungnahme hat der CCJE beschlossen, im Folgenden den Einheitsbegriff „Justizverwaltungsrat“ zu verwenden (1)

3. Seinem Auftrag zufolge hat sich der CCJE mit den folgenden Punkten befasst, die in dem globalen Rahmenaktionsprogramm für Richterinnen und Richter in Europa aufgeführt sind (2):

Garantien in Bezug auf die Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt in den Mitgliedstaaten auf verfassungsrechtlicher, gesetzgebender und institutioneller Ebene (siehe Teil I Buchstaben a, b, c und d des Aktionsprogramms);
Schaffung oder Stärkung von Instanzen, die von der gesetzgebenden und/oder voll ziehenden Gewalt unabhängig und mit der Verwaltung der Richterlaufbahn betraut sind (siehe Teil I Buchstabe e des Programms).

4. Ziel dieser Stellungnahme ist es, die Eckpunkte in Bezug auf die Aufgabenstellung, Zusammensetzung und Funktionen des Rates für das Justizwesen zu bestimmen, um die demokratische Ordnung zu stärken und die Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt zu schützen. Diese Stellungnahme zielt weder darauf ab, die Grundsätze zur Regelung der Zusammensetzung oder Aufgaben des Rates für das Justizwesen eingehend darzulegen noch ein Einheitsmuster für einen solchen Rat in Europa zu schaffen.

5. Die Zusammensetzung und Funktionen des Rates für das Justizwesen können in den einzelnen Staaten unterschiedlich sein (3). Eingedenk dieser Vielfalt wie auch der Tatsache, dass eine allgemeine Tendenz erkennbar ist, unabhängige Räte für das Justizwesen zu schaffen, hat es der CCJE für erforderlich gehalten:

auf die Bedeutung hinzuweisen, die ein spezielles Organ im Rahmen der Achtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung als Garant für die richterliche Un abhängigkeit hat;
Leitlinien und Standards für diejenigen Mitgliedstaaten festzulegen, die einen eigenen Justizverwaltungsrat schaffen oder diesen reformieren möchten.

6. Die Bestimmungen dieser Stellungnahme gelten für alle Rechtsordnungen und insbesondere in den Staaten, in denen es eine gesonderte Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt, ob nun im Rahmen eines (für die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichtsbarkeit) zuständigen Einheitsrates für das Justizwesen oder in Form von gesonderten Räten (4).

7. Bei der Vorbereitung dieser Stellungnahme hat der CCJE insbesondere die folgenden Aspekte geprüft und gebührend berücksichtigt:

die bisher erzielten Ergebnisse des Europarates und insbesondere die Empfehlung Nr. R(94)12 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Unabhängigkeit, Effizienz und Rolle der Richter (5), die Europäische Charta zum Status der Richter von 1998 sowie die Stellungnahmen des CCJE Nr. 1, 2, 3, 4, 6 und 7;
den bei der 70. Plenarsitzung der VenedigKommission im März 2007 angenommenen Be
richt über die Ernennung von Staatsanwälten und Richtern als Beitrag zu den Arbeiten des CCJE (6);
die Antworten von 40 Delegationen auf einen Fragebogen zu den obersten Richterräten, angenommen vom CCJE bei seiner 7. Plenarsitzung (8. 10. November 2006);
die von den folgenden Experten des CCJE erstellen Berichte: Frau Martine VALDESBOULOUQUE (Frankreich) zur derzeitigen Situation in den Mitgliedstaaten des Europarates, in denen es einen obersten Richterrat oder ein gleichwertiges Organ gibt; Lord Justice THOMAS (Vereinigtes Königreich) zur derzeitigen Situation in den Staaten, in denen es solche Organe nicht gibt;
die Beiträge der Teilnehmer an der 3. Europäischen Richterkonferenz zum Thema „Welcher Rat für die Justiz?“, die vom Europarat in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Netz der Räte für das Justizwesen (RECJ), dem Obersten Richterrat und dem Justizministerium Italiens organisiert wurde (Rom, 26. 27. März 2007).

II. ALLGEMEINE ZIELSETZUNG: DIE UNABHÄNGIGKEIT DER JUSTIZ UND DEN RECHTSSTAAT SICHERSTELLEN

8. Ziel des Rates für das Justizwesen ist es, sowohl die Unabhängigkeit des Rechtssystems insgesamt als auch diejenige des einzelnen Richters sicherzustellen. Das Bestehen einer unabhängigen und unparteiischen rechtsprechenden Gewalt stellt sich als strukturelles Erfordernis eines Rechtsstaates dar.

9. Die richterliche Unabhängigkeit in einer durch Globalisierung und gegenseitiger Abhängigkeit geprägten Gesellschaft sollte aus Sicht des Bürgers als Garantie für Wahrheit, Freiheit, Achtung der Menschenrechte und eine unparteiische Justiz ohne Beeinflussung von außen gelten. Die Unabhängigkeit der Richter ist kein Vorrecht oder Privileg, das ihnen in ihrem eigenen Interesse eingeräumt wird, sondern sie wird ihnen im Interesse der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtsuchenden zugesichert. Die Unabhängigkeit als Voraussetzung für die Unparteilichkeit der Richter stellt demnach eine Garantie für die Gleichheit der Bürger vor Gericht dar.

10. Der CCJE ist ebenfalls der Auffassung, dass der Justizverwaltungsrat die Effektivität und Qualität der Justiz fördern und somit dazu beitragen sollte, dass Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention beachtet und das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Justiz gestärkt wird. Vor diesem Hintergrund hat der Justizverwaltungsrat die für die Evaluierung der Justiz notwendigen Werkzeuge zu entwickeln, Berichte über den Stand der Justizdienste zu erstellen und die zuständigen Stellen um die notwendigen Maßnahmen zu bitten, um die Rechtspflege zu optimieren.

11. Der CCJE empfiehlt, den Justizverwaltungsrat zumindest in den Ländern, die über eine geschriebene Verfassung verfügen, auf verfassungsrechtlicher Ebene zu verankern oder diesen andernfalls in dem entsprechenden Gesetzes oder Verfassungsinstrument zu spezifizieren. In darin enthaltenen Bestimmungen sollte die Schaffung eines solchen Organs vorgesehen und geregelt sein, welche Funktionen dieses Gremium ausübt, aus welchen Bereichen die einzelnen Mitglieder stammen, welche Kriterien bezüglich seiner Zusammensetzung gelten und in welcher Form diese Mitglieder ausgewählt werden (7).

12. Der Justizverwaltungsrat sollte, abgesehen von seiner Geschäftsführungs und Verwaltungsrolle gegenüber der Richterschaft, ebenfalls als gerichtliches Selbstverwaltungsorgan fungieren und den Richtern gestatten, ihre Aufgaben außerhalb der Kontrolle durch die Exekutive und Legislative und ohne jeglichen unangemessenen Druck aus Justizkreisen wahrzunehmen.

13. Vor diesem Hintergrund vertritt der CCJE die Auffassung, es sei unangemessen, wenn der Justizverwaltungsrat von anderen Gewalten in seiner Freiheit beschnitten werde, die eigenen Funktionsabläufe oder Fragenkomplexe zu bestimmen. Das Verhältnis zwischen dem Justizverwaltungsrat und dem Justizminister, dem Staatschef und dem Parlament sollte geregelt werden. Außerdem sollte mit den Gerichten und insbesondere den Richtern ein sorgsamer Umgang gepflegt werden, da der Justizverwaltungsrat der Gerichtshierarchie nicht angehört und als solcher bei Streitigkeiten in der Hauptsache nicht entscheiden kann.

14. Der Justizverwaltungsrat hat auch die Pflicht, die absolute Freiheit der Richter gegen Zwang oder Parteilichkeit von außen, ob politischer, ideologischer oder kultureller Natur, zu schützen, damit diese unparteiisch nach ihrer innersten Überzeugung und ihrem Verständnis des jeweiligen Sachverhalts sowie in Übereinstimmung mit den geltenden Rechtsvorschriften über die Rechtssachen entscheiden können, mit denen sie befasst werden (8).

III. ZUSAMMENSETZUNG: ZIEL IST EINE OPTIMALE ARBEITSWEISE DES UNABHÄÓNGIGEN UND TRANSPARENTEN RATES FÜR DAS JUSTIZWESEN

III. A. Ein mehrheitlich aus Richtern gebildeter Justizverwaltungsrat

15. Die Zusammensetzung des Rates für das Justizwesen soll dessen Unabhängigkeit gewährleisten und ihm gestatten, seine Aufgaben effektiv wahrzunehmen.

16. Der Justizverwaltungsrat kann sich entweder ausschließlich aus Richtern oder aus Richtern und Nichtrichtern zusammensetzen. In beiden Fällen sollte eine einseitige berufsständische Interessenvertretung vermieden werden.

17. Wird der Justizverwaltungsrat ausschließlich aus Richtern gebildet, ist der CCJE der Auffassung, dass deren Wahl durch Amtskollegen erfolgen sollte.

18. Bei einer gemischten Zusammensetzung (aus Richtern und Nichtrichtern) ist der CCJE der Ansicht, dass der Justizverwaltungsrat eine substanzielle Mehrheit an Richtern aufweisen sollte, die von ihren Amtskollegen gewählt werden, um Manipulationen oder ungebührliche Druckausübung zu vermeiden (9).

19. Nach Ansicht des CCJE bietet eine solche Mischform den Vorteil, dass eine einseitige berufsständische Interessenvertretung einerseits vermieden und die unterschiedlichen gesellschaftlichen Meinungsströmungen andererseits widergespiegelt werden, womit sich eine weitere Quelle für die Legitimität der Judikative eröffnet. Aber selbst bei einer gemischten Zusammensetzung soll der Justizverwaltungsrat in einer Weise handeln, die dem Kräftemessen der parlamentarischen Mehrheiten und dem Druck der Exekutive keinen Platz lässt, wobei der Rat sich jeglicher parteipolitischen Beeinflussung entziehen sollte, um die Werte und wesentlichen Grundsätze der Justiz schützen zu können.

20. Sollte der Justizverwaltungsrat eine solche gemischte Zusammensetzung aufweisen, ist der CCJE der Ansicht, dass einige seiner Aufgaben einem Ratskollegium vorbehalten sein sollten, das ausschließlich aus Richtern besteht.

III. B. Eignung der Mitglieder

21. Die richterlichen oder nichtrichterlichen Mitglieder sind anhand ihrer Kompetenz, Erfahrung, Fähigkeit zum Verständnis des Gerichtsalltags und ihrer Diskussionskultur sowie ihres Umgangs mit der Unabhängigkeit auszuwählen.

22. Die nichtrichterlichen Mitglieder können aus den Reihen herausragender Juristen oder von Dozenten mit einem bestimmten Dienstalter oder aus dem Umfeld verdienter Mitbürger gewählt werden. Ein modernes Justizmanagement kann ebenfalls die Mitwirkung von Ratsangehörigen mit Erfahrung auf nichtjuristischen Gebieten (z.B. im Bereich der Geschäftsführung, Finanzen, Informationstechnologie, Sozialwissenschaften) erfordern.

23. Die künftigen richterlichen oder nichtrichterlichen Mitglieder des Rates für das Justizwesen sollten weder im Rang politisch Verantwortlicher stehen noch Mitglieder des Parlaments, Angehörige der Exekutive oder Vertreter der Verwaltung sein. Dies bedeutet, dass weder der Staatschef in seiner Eigenschaft als Regierungschef noch ein anderer Minister dem Justizverwaltungsrat angehören darf. Jeder Staat sollte Rechtsvorschriften erlassen, um dies sicherzustellen.

24. Der CCJE ist der Ansicht, dass die Zusammensetzung des Rates für das Justizwesen soweit wie möglich die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln sollte.

III. C. Auswahlmethoden III. C. 1. Auswahl der richterlichen Mitglieder

25. Um die Unabhängigkeit des für die Richterauswahl und laufbahn zuständigen Organs zu gewährleisten, sollten Bestimmungen vorgesehen werden, um sicherzustellen, dass seine Mitglieder von der rechtsprechenden Gewalt bestellt werden.

26. Die Bestellung kann im Wege einer Wahl erfolgen oder für eine begrenzte Zahl an Mit gliedern (beispielsweise die Präsidenten der Obersten Gerichtshöfe oder Rechtsmittelinstan zen) durch eine Bestellung von Amts wegen.

27. Der CCJE möchte zwar keinen besonderen Wahlmodus vorschreiben, ist aber der Auf fassung, dass die im Justizverwaltungsrat vertretenen Richter von ihren Amtskollegen nach Grundsätzen gewählt werden sollten, die eine größtmögliche Vertretung der Justiz auf allen Ebenen gewährleistet (10).

28. Selbst wenn die beruflichen Richtervereinigungen und der Justizverwaltungsrat unterschiedliche Rollen spielen und Aufgaben wahrnehmen, stellt die Unabhängigkeit der Justiz das Kernstück der Belange beider Einrichtungen dar. Die Berufsorganisationen sind zuweilen am besten geeignet, zu den Debatten über rechtspolitische Themen beizutragen. In zahlreichen Staaten gehören die Richter dennoch mehrheitlich keiner Vereinigung an. Bei einer pluralistischen Zusammensetzung des Rates für das Justizwesen aus beiden Richterkategorien (Mitglieder wie Nichtmitglieder von Vereinigungen) wäre die Justiz in stärkerem Maße vertreten. Den Richtervereinigungen müsste demnach ermöglicht werden, bei den Wahlen Richterkandidaten aufzustellen (oder eine Kandidatenliste einzubringen); diese Möglichkeit soll auch den Richtern offenstehen, die keiner Vereinigung angehören. Es ist Aufgabe der Staaten, ein geeignetes Wahlsystem zu schaffen, das diese Möglichkeiten umfasst.

29. Um den Ansprüchen der Bürger im Hinblick auf eine Entpolitisierung des Rates für das Justizwesen gerecht zu werden, vertritt der CCJE die Ansicht, dass das Werben um Stimmen bei Wahlen den vom Justizverwaltungsrat selbst erlassenen Regeln entsprechen sollte, um das Risiko zu minimieren, dass das öffentliche Vertrauen in die Justiz erschüttert wird.

30. Der CCJE hätte keine Bedenken, wenn einzelne Staaten Modalitäten entwickelten, die sich von der Direktwahl unterscheiden und eine größtmögliche Vertretung ihrer Amtskollegen innerhalb des Rates für das Justizwesen sicherstellen. So könnte von einigen Ländern, die in der Zusammenstellung repräsentativer Richtergruppen erfahren sind, eine Methode übernommen werden, die eine Vertretung auf örtlicher Ebene bestens garantiert: die Bestimmung von Mitgliedern durch Losentscheid anhand einer oder mehrerer Ortslisten mit Wahlkandidaten, die als solche von einer hinreichenden Zahl von Amtskollegen nominiert werden.

31. Der CCJE befürwortet keine Systeme, bei denen politische Einrichtungen wie das Parlament oder die Exekutive in irgendeinem Abschnitt des Auswahlverfahrens beteiligt sind. Es sollte vermieden werden, dass ranghöhere Dienstangehörige aus der Gerichtshierarchie in irgendeiner Form in das Verfahren eingreifen. Es sollte auch ausgeschlossen sein, dass Richter von Behörden innerhalb oder außerhalb der Justiz ernannt werden.

III. C. 2. Auswahl der nichtrichterlichen Mitglieder

32. Die nichtrichterlichen Mitglieder sollten nicht von der Exekutive ernannt werden. Obwohl es den einzelnen Staaten obliegt, die zuweilen widerstreitenden Anforderungen auszugleichen, empfiehlt der CCJE, ein System ins Leben zu rufen, das die Ernennung von Mitgliedern ohne Richterstatus nichtpolitischen Organen anvertraut . Werden die nichtrichterlichen Mitglieder in einem Staat vom Parlament gewählt, sollten sie nicht Mitglied des Parlaments sein, mit qualifizierter Mehrheit, die eine maßgebliche Unterstützung der Opposition erfordert, gewählt werden und im Rahmen der Zusammensetzung des Rates für das Justizwesen insgesamt einen repräsentativen Querschnitt der Gesellschaft bilden.

Ill. C. 3 Auswahl des Vorsitzenden

33. Es sollte sichergestellt werden, dass eine unparteiische Person, die keiner politischen Partei nahesteht, den Vorsitz des Rates für das Justizwesen führt. In parlamentarischen Systemen, in denen dem Staatsoberhaupt! Staatschef eher protokollarische Befugnisse zukommen, bestehen demnach keine Bedenken, dieser Person den Vorsitz des Rates für das Justizwesen zu übertragen, wohingegen in anderen Systemen der Vorsitzende des Rates für das Justizwesen vom Rat selbst gewählt werden könnte und Richter sein sollte.

III. D. Mitgliederzahl und Amtsdauer

34. Der CCJE ist der Ansicht, dass die Zusammensetzung des Rates für das Justizwesen die Bedeutung der Richterschaft und infolgedessen den Umfang der anstehenden Aufgaben widerspiegeln sollte. Obwohl die Staaten darüber zu entscheiden haben, ob die Angehörigen des Rates für das Justizwesen als Voll oder Teilzeitmitglieder fungieren sollen, unterstreicht der CCJE, dass die Mitgliedschaft auf Vollzeitbasis eine größere Arbeitseffizienz und strikte Wahrung der Unabhängigkeit bedeutet. Gleichwohl ist es wichtig, dass die dem Justizverwaltungsrat angehörenden Richter nicht über einen längeren Zeitraum ihrem Dienst fernbleiben, so dass die Nähe zur Rechtsprechungspraxis soweit wie möglich gewahrt bleibt. Mandate mit dem Erfordernis, dass die Mitglieder des Rates für das Justizwesen ausschließlich mit diesen Aufgaben befasst sind, sollten in Bezug auf Zahl und Zeitraum begrenzt werden (11).

35. Um eine kontinuierliche Tätigkeit des Rates für das Justizwesen zu gewährleisten, empfiehlt der CCJE, nicht alle Mitglieder gleichzeitig zu ersetzen.

Ill. E. Status der Mitglieder

36. Den (richterlichen wie nichtrichterlichen) Mitgliedern des Rates für das Justizwesen sollten Garantien in Bezug auf ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zuerkannt werden. Die Vergütung der Ratsmitglieder sollte in einem angemessenen Verhältnis zur Funktion und Arbeitsbelastung innerhalb des Rates stehen.

IV. NOTWENDIGE MITTEL (FÜR DIE FINANZIERUNG, PERSONALAUSSTATTUNG UND TECHNISCHE BEGUTACHTUNG) UND RECHTMÄSSIGKEIT DER ENTSCHEIDUNGEN DES RATES FÜR DAS JUSTIZWESEN

IV. A. Haushalt und Personal

37. Dem CCJE zufolge ist es sehr wichtig, die Finanzierung des Rates für das Justizwesen in einer Weise sicherzustellen, dass seine Funktionsfähigkeit garantiert wird. Er sollte über angemessene Mittel verfügen, um unabhängig und eigenständig zu handeln, und in der Lage sein, seinen eigenen Haushalt aufzustellen und effektiv zu gestalten.

38. Der Justizverwaltungsrat sollte über eigene Räumlichkeiten verfügen, ein Sekretariat haben, Informatiktechnik einsetzen, ihm sollte es freistehen, seine Tätigkeiten selbst zu regeln, ohne sich deswegen gegenüber einer politischen oder anderen Instanz rechtfertigen zu müssen, seine Sitzungen selbst zu organisieren und die Tagesordnung für seine Treffen aufzustellen, und er sollte berechtigt sein, zwecks Erfüllung seiner Aufgaben mit den Gerichten unmittelbaren Kontakt zu pflegen. Der Justizverwaltungsrat sollte je nach Bedarf über eigenes Personal verfügen und jedem Mitglied sollte Personal entsprechend den ihm übertragenen Aufgaben zur Verfügung stehen.

IV. B. Entscheidungen des Rates für das Justizwesen

39. Bestimmte vom Justizverwaltungsrat in Bezug auf die Geschäftsführung und Verwaltung der Justizdienste getroffene Entscheidungen sowie die Entscheidungen hinsichtlich der Ernennung, Mobilität, Beförderung, Disziplin und Amtsenthebung von Richtern (so der Rat eine dieser Befugnisse hat) sollten eine Begründung enthalten und vorbehaltlich der Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung verbindlich sein; die Unabhängigkeit des Rates für das Justizwesen bedeutet in der Tat nicht, dass dieser außerhalb des rechtlichen Rahmens und der gerichtlichen Kontrolle tätig ist.

IV. C. Technische Begutachtung

40. Der Justizverwaltungsrat kann bei anderen Fachkräften ein Gutachten zu speziellen Fra gen einholen. Diese Sachverständigen gehören dem Justizverwaltungsrat natürlich nicht an und nehmen auch nicht am Entscheidungsprozess teil.

V. WEITREICHENDE KOMPETENZEN ZUR SICHERUNG DER UNABHÄNGIGKEIT UND EFFEKTIVITÄT DER JUSTIZ

41. Der Justizverwaltungsrat sollte bei der Ausübung kombinierter Kompetenzen eine wichtige Rolle spielen, so dass er die richterliche Unabhängigkeit und Effektivität der Justiz besser wahren und fördern kann.

42. Der CCJE empfiehlt, der Justizverwaltungsrat möge die folgenden, vorzugsweise von ihm selbst oder in Zusammenarbeit mit anderen Instanzen wahrzunehmenden Aufgaben, in unabhängiger Form erfüllen:

die Auswahl und Ernennung der Richter (siehe Punkt V.A.);
die Beförderung der Richter (siehe Punkt V.A.);
die Beurteilung der Richter (siehe Punkt V.B.);
das Disziplinarrecht und die Standesregeln (siehe Punkt V. C);
die Ausbildung der Richter (siehe Punkt V. D.);
die Kontrolle und Führung eines eigenen Haushalts (siehe Punkt V. E);
die Verwaltung und Geschäftsführung der Gerichte (siehe Punkt V. F.);
den Schutz des Ansehens der Justiz (siehe Punkt V. G.);
die Befugnis zur Stellungnahmen gegenüber den anderen staatlichen Gewalten (siehe Punkt V. H.);
die Zusammenarbeit mit anderen einschlägigen Stellen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene (siehe Punkt V. I.); die Verantwortlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit: Transparenz, Rechenschaftspflicht, Berichterstattung (siehe Punkt VI.).

43. Es sollte bedacht und berücksichtigt werden, dass es bei den einzelnen Funktionen des Rates für das Justizwesen zu Interessenkonflikten kommen kann, insbesondere bei der Ernennung und der Ausbildung von Richtern, der Ausbildung und dem Disziplinarrecht sowie der Ausbildung und der Evaluierung von Richtern. Eine Möglichkeit zur Vermeidung solcher Konflikte besteht darin, innerhalb des Rates für das Justizwesen eine Trennung zwischen den einzelnen Verantwortungsbereichen vorzunehmen (12).

44. Der CCJE unterstreicht, dass die einzelnen Aufgaben des Rates für das Justizwesen mit der Verfassungsrolle dieses Rates eng verknüpft sind, so dass diese Aufgaben in der Verfassung oder in einem Gesetzes oder Verfassungsinstrument niedergelegt werden sollten. Damit der Justizverwaltungsrat seinen Verantwortlichkeiten nachkommen kann, sollten die durch einen etwaigen äußeren oder inneren Zwang (z.B. Druckausübung durch die Legislative/Exekutive) bedingten Schwierigkeiten vermieden werden, indem die Aufgaben genau umschrieben und die Art und Weise ihrer Erfüllung festgelegt werden.

45. Zwischen der Zusammensetzung und den Befugnissen des Rates für das Justizwesen sollte ebenfalls eine enge Verbindung bestehen. Die Zusammensetzung sollte sich insbesondere aus den Aufgaben des Rates ergeben. Bei bestimmten Funktionen des Rates für das Justizwesen könnte beispielsweise die Mitwirkung von Angehörigen der Rechtsberufe, von Rechtslehren an Hochschulen oder sogar Vertretern der Zivilgesellschaft erforderlich sein. 46. Je nach Art der Räte für das Justizwesen kann ebenfalls zwischen denjenigen unterschieden werden, die herkömmliche Funktionen wahrnehmen (z.B. nach dem so genannten „SüdeuropaModell“ mit Befugnissen bei der Richterernennung und der Evaluierung des Gerichtssystems) und denjenigen mit neuzeitlichen Funktionen (z.B. nach dem so genannten „NordeuropaModell“ mit Befugnissen bei der Geschäfts und Haushaltsführung). Der CCJE befürwortet die Übertragung dieser beiden Funktionsarten auf den Justizverwaltungsrat.

47. Außerdem könnten die Kompetenzen des Rates für das Justizwesen mit den Funktionen anderer entsprechender Organe verknüpft werden, beispielsweise eines Rates der Staatsanwälte oder eines gesonderten Rates für die Verwaltungsrichter, den es in einigen Ländern gibt. Dem Justizverwaltungsrat obliegt es auch, Beziehungen zu diesen unterschiedlichen Stellen aufzunehmen sowie die Kontakte und die Zusammenarbeit auf europäischer/internationaler Ebene zu vertiefen.

V. A. Die Auswahl, Ernennung und Beförderung der Richter

48. Um die Unabhängigkeit der Justiz zu wahren, ist es von zentraler Bedeutung, dass die Auswahl und Beförderung von Richtern in unabhängiger Form, d.h. außerhalb des Zustän digkeitsbereichs der Legislative oder Exekutive und vorzugsweise durch den Justizverwaltungsrat erfolgen (13).

49. In Anbetracht des besonderen Stellenwerts der Richter in der Gesellschaft und um ihre herausragende Funktion zu unterstreichen, ist es zwar üblich, dass die Ernennung oder Beförderung im Wege einer offiziellen Amtshandlung des Staatschefs erfolgt, doch sollte dieser durch einen vom Justizverwaltungsrat unterbreiteten Vorschlag gebunden sein. Es genügt in der Tat nicht, dieses Organ um die Stellungnahme zu einem Ernennungsvorschlag zu bitten, der von der Exekutive ausgearbeitet wurde, weil bereits die Tatsache, dass der Vorschlag von einer politischen Instanz stammt, sich negativ auf das Ansehen der richterlichen Unabhängigkeit auswirken kann, wobei die persönlichen Eigenschaften des vorgeschlagenen Anwärters unerheblich sind.

50. Dieses System der Ernennung und Beförderung ist zwar wesentlicher Natur, aber nicht unbedingt ausreichend. Die Voraussetzungen für die Kadidatenauswahl müssen auch völlig transparent sein, damit die Richterschaft und darüber hinaus die Gesellschaft als solche feststellen können, dass diese Auswahl ausschließlich auf der Leistung der Anwärter beruht, die unter Berücksichtigung ihrer Qualifikation, Kompetenz, Integrität, ihres Umgangs mit der Unabhängigkeit, ihrer Unparteilichkeit und Effektivität bewertet wird. Deshalb ist es unerlässlich, dass die einzelnen Räte für das Justizwesen die Ernennungs und Beförderungskriterien in Anlehnung an die in einigen Staaten geübte Praxis der Öffentlichkeit zugänglich machen. Bei der Erfüllung seiner Pflichten, insbesondere im Hinblick auf die Geschäftsführung der Gerichte und die Ausbildung, muss der Justizverwaltungsrat ebenfalls sicherstellen, dass die auf dem Leistungsprinzip beruhenden Ernennungs und Beförderungsverfahren einem Kandidatenspektrum offenstehen, das möglichst breit gefächert ist und einen möglichst großen Querschnitt der Gesellschaft darstellt.

51. Was darüber hinaus die höheren Ämter und insbesondere die Stellen der Gerichtspräsidenten anbelangt, so sollte der Justizverwaltungsrat allgemeine Anforderungsprofile in amtlicher Form verbreiten, in denen die Besonderheiten der zu besetzenden Stelle und die von den Bewerbern verlangten Fähigkeiten umschrieben werden, um eine transparente und verantwortungsbewusste Wahl seitens des Ernennungsorgans zu gestatten, die ausschließlich auf der Grundlage der Leistung des Kandidaten und nicht anhand subjektiver Faktoren betreffend Freundschaften, politische Anschauung, Mitgliedschaft in Vereinen oder Gewerkschaften erfolgen sollte.

V. B. Die berufliche Beurteilung der Richter

52. Der Themenkomplex der beruflichen Beurteilung der Richter umfasst eigentlich zwei Be reiche: die Evaluierung der Qualität des Justizwesens und die Bewertung der beruflichen Fähigkeiten der Richter.

53. Das Thema Evaluierung der Qualität des Justizwesens ist vom CCJE bereits in seiner Stellungnahme Nr. 6 unter verschiedenen Gesichtspunkten erörtert worden 14. In Anbetracht der Thematik der vorliegenden Stellungnahme soll der Justizverwaltungsrat in jedem Staat unbedingt eine wesentliche Rolle spielen und zwar einerseits bei der Festlegung der Kriterien und Standards, anhand deren die Qualität des Justizdienstes zu bewerten ist, und andererseits bei der Umsetzung oder Nachprüfung der von den einzelnen Gerichten erhobenen qualitativen Daten.

54. Die Qualität der Justiz kann selbstverständlich anhand objektiver Daten gemessen werden, wie die Voraussetzungen für den Zugang zum Recht und der Umgang mit der Öffentlichkeit in den Gerichten, die Möglichkeiten zur Umsetzung der bereitgestellten Verfahren und der Zeitrahmen für die Herbeiführung und Vollstreckung der entsprechenden Entscheidungen. Allerdings umfasst sie auch eine subjektivere Beurteilung insbesondere des Wertes der ergangenen Entscheidungen und deren Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit. Sie soll auch die eher politischen Fakten berücksichtigen, wie beispielsweise den der Justiz zugebilligten Anteil am Staatshaushalt und die Tatsache, wie die richterliche Unabhängigkeit von den anderen Gewalten im Staat gewichtet wird. Diese Erwägungen rechtfertigen insgesamt die aktive Mitwirkung des Rates für das Justizwesen bei der Beurteilung des qualitativen Aspekts der Justiz und dem Einsatz von Techniken mit dem Ziel, die Effizienz der richterlichen Arbeit sicherzustellen.

55. Gegebenenfalls ist die gesonderte Frage der beruflichen Beurteilung der Richter davon abhängig, ob ein Richter zu Beginn seiner Laufbahn aus einer Reihe von Anwärtern ohne Berufserfahrung oder nach mehreren Jahren Erfahrung in einem Rechtsberuf unter Praktikern mit der größten Erfahrung und Anerkennung ausgewählt wird. Obwohl im erstgenannten Fall die beruflichen Fähigkeiten des Kandidaten zwar einer Bewertung bedürfen, um seine Qualifikation zu beurteilen, die mangels einer früheren Tätigkeit nicht festgestellt werden konnte, so ist diese Bewertung bei der Richterauswahl im zweiten Fall nicht völlig nutzlos, wenn man die Besonderheit des Richteramtes, die ständige Weiterentwicklung der Rechtspraxis und das dadurch bedingte Wissen berücksichtigt.

56. Hervorzuheben ist, dass bei der Beurteilung der Richter nicht nur die juristische Fachkunde und die generellen beruflichen Fähigkeiten der Richter zu prüfen sind, sondern auch eher persönliche Aspekte, wie deren Charaktereigenschaften und Kommunikationsfähigkeiten. Wenn die Ausübung richterlicher ÄÓmter schon ein hohes Maß an fachlichen und persönlichen Fertigkeiten voraussetzt, wäre es wünschenswert, auf europäischer Ebene im Hinblick auf deren Feststellung zu einem Konsens zu gelangen. Hierbei sollte der Justizverwaltungsrat eine wesentliche Rolle spielen, um die einschlägigen allgemeinen Bewertungskriterien zu bestimmen. Der Justizverwaltungsrat sollte allerdings nicht an die Stelle der Justizbehörde treten, die für die individuelle Beurteilung der Richter zuständig ist.

V. C. Standesregeln und Disziplinarrecht der Richter

V. C. 1. Standesregeln

57. Im Zusammenhang mit der Behandlung ethischer und disziplinarrechtlicher Fragen in seiner Stellungnahme Nr. 3(2002) hat der CCJE die Notwendigkeit herausgestellt, die beiden Fragenkomplexe eindeutig voneinander zu unterscheiden.

58. Aus dieser Unterscheidung zwischen Disziplinarrecht und Standesregeln ergibt sich die Notwendigkeit, dem Richter ein berufsethisches Regelwerk zur Verfügung zu stellen, das als Arbeitswerkzeug für die Ausbildung und die tägliche Verrichtung seiner Aufgaben konzipiert ist.

Die Verbreitung der Rechtsprechung zum Disziplinarrecht durch die Disziplinarorgane bedeutet einen wünschenswerten Fortschritt für die den Richtern bereitgestellten Informationen, die es ihnen ermöglichen, ihre Praxis zu hinterfragen und somit die Verbreitung einer Reflexionskultur auf diesem Gebiet erleichtern. Dies dürfte jedoch nicht genügen: Die disziplinarrechtlichen Entscheidungen decken weder den gesamten Anwendungsbereich des Standesrechts ab, noch sind sie ein Leitfaden für bewährte Methoden, den die Richter benötigen.

59. Da das berufsethische Regelwerk flexibler ist als ein Kodex, dessen fehlende Flexibilität und vermeintlich erschöpfender Charakter zu Recht kritisiert werden, sollte es eine Zusammenfassung dieser bewährten Methoden enthalten und Beispiele und Kommentare dazu anführen. Die Ausarbeitung dieses berufsethischen Regelwerks soll durch die Richter selbst erfolgen, da es nicht angebracht wäre, wenn ihnen Dritte, insbesondere die anderen staatlichen Gewalten, Standesregeln vorschreiben würden.

60. Angesichts der vom CCJE gewünschten Unterscheidung zwischen Standesregeln und Disziplinarrecht sollte die Erstellung dieses Regelwerks Aufgabe eines Organs sein, das nicht für disziplinarrechtliche Fragen der Richter zuständig ist. Es gibt mehrere Lösungen, um das Organ zu bestimmen, das für solche Standesregeln zuständig sein könnte:

i) Entweder könnte diese Aufgabe dem Justizverwaltungsrat übertragen werden, wenn dieser Rat keine disziplinarrechtlichen Aufgaben wahrnimmt oder wenn innerhalb des Justizverwaltungsrats ein besonderes Organ für disziplinarrechtliche Fragen errichtet wird, das sich aus anderen Mitgliedern zusammensetzt (siehe Randnummer 64),
ii) oder es könnte neben dem Justizverwaltungsrat ein Ethikausschuss geschaffen werden, dessen Aufgabe ausschließlich in der Ausarbeitung und Überwachung der berufsethischen Regeln besteht. Die Schwierigkeit dieser letzten Lösung hängt mit den Kriterien für die Benennung und den Modalitäten für die Auswahl der Mitglieder des Ausschusses und der Gefahr von Konflikten oder Uneinigkeit zwischen diesem Ausschuss und dem Rat zusammen.
Wie der CCJE in seiner Stellungnahme Nr. 3 vorgeschlagen hat, könnte das mit den Standesregeln beauftragte Organ auch die Richter in berufsständischen Fragen beraten, mit denen sie möglicherweise während ihrer beruflichen Laufbahn konfrontiert werden.

61. Der CCJE ist im Übrigen der Meinung, dass es gerechtfertigt sein kann, einige nicht zum Justizsystem gehörende Personen (Rechtsanwälte, Hochschulangehörige, Vertreter der Gesellschaft, andere staatliche Stellen) an der Ausarbeitung der Standesregeln zu beteiligen, um eine einseitige berufsständische Interessenvertretung zu bekämpfen und dabei jedoch Sorge zu tragen, dass die Richter nicht ihr Recht verlieren, über ihre Standesregeln zu entscheiden.

V. C. 2. Disziplinarrecht

62. In seiner Stellungnahme Nr. 3(2002) hat der CCJE die Frage der Verantwortlichkeit der Richter behandelt. Die Erfahrungen einiger Staaten aus jüngerer Zeit verdeutlichen die Notwendigkeit, Richter gegen die Versuchung zu schützen, ihre Verantwortlichkeit für ihre eigentliche Rechtsprechungstätigkeit zu erweitern. Die Aufgabe des Rates für das Justizwesen besteht darin aufzuzeigen, dass ein Richter nicht die gleichen Verantwortlichkeiten wie die Angehörigen anderer Berufe haben kann: Er erfüllt eine öffentliche Aufgabe und kann es nicht ablehnen, über die Streitigkeiten zu entscheiden, mit denen er befasst wird. Wäre dieser Richter ferner gerichtlichen oder disziplinarrechtlichen Sanktionen im Hinblick auf seine Entscheidungen ausgesetzt, könnten weder die richterliche Unabhängigkeit noch das demokratische Gleichgewicht der Gewalten aufrechterhalten werden. Der Justizverwaltungsrat muss daher eindeutig die politischen Projekte verurteilen, die auf die Einschränkung der richterlichen Entscheidungsfreiheit abzielen. Dies bedeutet keineswegs, dass Richter außerhalb des Rahmens ihres Amtes und der Beachtung der Rechtsvorschriften handeln dürfen.

63. Ein Richter, der die ihm anvertrauten Vorgänge aus Faulheit nicht bearbeitet oder der sich bei der Erledigung seiner Aufgaben deutlich und offensichtlich inkompetent zeigt, muss einem Disziplinarverfahren unterzogen werden. Wie der CCJE in seiner Stellungnahme Nr. 3(2002) bereits herausgestellt hat, ist es jedoch auch in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass der Richter ein Disziplinarverfahren zuteil wird, das die Beachtung des Grundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit sicherstellt und von einem Organ frei von jeglichem politischen Einfluss geführt wird, das über klar definierte Disziplinarvergehen erkennt: der Staatschef, der Justizminister oder jeder andere Vertreter der politisch Verantwortlichen darf diesem Disziplinarorgan nicht angehören.

64. Der Justizverwaltungsrat ist für berufsethische Regeln zuständig; er kann ferner die Beschwerden der Rechtsuchenden entgegennehmen. Zur Vermeidung von Interessenkonflikten sollte das Disziplinarverfahren in erster Instanz, wenn es nicht in die Zuständigkeit eines Disziplinargerichts fällt, von einer Disziplinarkommission geführt werden, die sich im Wesentlichen 15 aus von Amtskollegen gewählten Richtern zusammensetzt, die nicht Mitglieder des Rates für das Justizwesen sind, wobei die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs vor einem höheren Gericht gegeben sein sollte.

V. D. Die Ausbildung der Richter (16)

65. In den einzelnen Staaten sollte die Verantwortung für die Organisation und die Überwachung der Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten nicht in den Händen des Justizministeriums oder einer anderen Behörde, die gegenüber der Legislative und der Exekutive rechenschaftspflichtig ist, sondern bei der Judikative selbst oder vorzugsweise dem Justizverwaltungsrat liegen; Richtervereinigungen können hierbei auch eine wichtige Rolle spielen. Außerdem sollten die Gestaltung der Ausbildungsprogramme und ihre Durchführung unter der Verantwortung der Judikative oder vorzugsweise des Rates für das Justizwesen einem speziellen eigenständigen Organ (beispielsweise einem Ausbildungszentrum), das über einen eigenen Haushalt verfügt und mit der Unterstützung von Richtern arbeiten sollte, übertragen werden. Eine klare Aufgabenteilung zwischen dem Justizverwaltungsrat und den Ausbildungszentren, wenn sie vorhanden sind, sollte gefördert werden.

66. Nach Auffassung des CCJE ist es, wenn der Justizverwaltungsrat für die Ausbildung und Ernennung oder für die Beförderung zuständig ist, sinnvoll, eine klare Trennung zwischen den mit diesen Aufgaben betrauten Stellen vorzusehen und zu enge Verbindungen mit dem Justizministerium (bezüglich der Benennung der Ausbilder, Mittelausstattung, usw.) oder dem Bildungsministerium (Zulassung oder Anerkennung von Diplomen, usw.) zu vermeiden.

67. Der Justizverwaltungsrat sollte während der gesamten Dauer der Grundausbildung und Weiterbildung mit der Ausbildungsstätte zusammenarbeiten, damit diese Ausbildung effektiv und qualitativ gut verläuft, und gewährleisten, dass die Richter auf der Grundlage objektiver und messbarer Kriterien anhand eines Systems ausgewählt werden, das auf Leistung und einer angemessenen Ausbildung basiert.

V. D. 1. Grundausbildung

68. Um den Richteranwärtern eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu bieten, empfiehlt der CCJE, dass der Justizverwaltungsrat an der Schaffung und Entwicklung von Grundausbildungsprogrammen untermittelbar beteiligt wird und zu diesem Zweck mit den Ausbildungsstätten zusammenarbeitet, wodurch die Anwärter nicht nur ihre Kenntnisse im nationalen oder internationalen Verfahrensrecht oder materiellen Recht und in der juristischen Praxis weiterentwickeln und vertiefen, sondern auch weitere Kompetenzen erwerben können, beispielsweise Kenntnisse in Fremdsprachen, in Fragen der Ethik, auf dem Gebiet alternativer Formen der Streitbeilegung. Hierdurch stehen der Gesellschaft Richter zur Verfügung, die in der Lage sind, Recht richtig anzuwenden, dabei kritisch und unabhängig sind, gesellschaftliche Probleme erkennen und diesen offen gegenüberstehen.

69. Der Justizverwaltungsrat sollte ferner die Grundausbildung extern bewerten, so dass er die berufliche Entwicklung und den beruflichen Erfolg der Richter bei ihrer täglichen Arbeit in den ersten Jahren nach ihrer Ernennung verfolgen kann, um die Effektivität der Grundausbildung zu beurteilen und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

V. D. 2. Weiterbildung

70. Der Justizverwaltungsrat sollte die Teilnahme der Richter an all diesen Ausbildungsmaßnahmen als wesentlichen Teil ihrer beruflichen Tätigkeit fördern. Richter sind gesetzlich und ethisch berechtigt und verpflichtet, durch die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, die als ein lebenslanger Lernprozess angesehen werden, an ihrer beruflichen Entwicklung zu arbeiten. Bei der Erfüllung ihrer Pflichten sollten die Richter insbesondere die theoretische und praktische Entwicklung des Rechts auf nationaler und internationaler Ebene verfolgen 17, hinsichtlich gesellschaftlicher Tendenzen auf dem Laufenden und mit den alternativen Methoden der Streitbeilegung vertraut sein. Der CCJE empfiehlt, dass der Justizverwaltungsrat die Teilnahme der Richter an den Ausbildungsprogrammen im Rahmen der Prüfung ihrer Beförderung berücksichtigt.

71. Die jährlich vom Justizverwaltungsrat erstellten Berichte und Statistiken zur Bewertung der Arbeit der Richter und Gerichte sollten Informationen über die Schwerpunkte enthalten, auf die die Ausbildung ausgerichtet sein sollte18, nämlich Geschäftsführung, Zeitmanagement, Haushaltsplanungen, Verbesserung der Arbeitstechniken, Öffentlichkeitsarbeit, Kom mun ikationstech nologie, Rechtsforschung, usw.

72. Der Justizverwaltungsrat sollte im Allgemeinen bei der Auswahl der Themen, die in das Jahresausbildungsprogramm aufgenommen werden, umfassend zu Rate gezogen werden; er sollte auch die Durchführung des Programms verfolgen und seine Auswirkungen auf die Qualität der richterlichen Tätigkeit bewerten.

V. E. Der Haushalt der Gerichte

73. Obgleich die Finanzierung der Gerichte Bestandteil des Staatshaushaltes ist, sollte diese Finanzierung nicht von politischen Fluktuationen abhängig sein. Die Entscheidungen über die Zuwendung von Finanzmitteln an die Gerichte müssen unter strikter Achtung der richterlichen Unabhängigkeit getroffen werden. Die Regelungen für die parlamentarische Verabschiedung des Justizhaushalts sollen ein Verfahren vorsehen, das den Stellungnahmen der Judikative Rechnung trägt19. Zwar übernimmt der Justizverwaltungsrat keine Rolle bei der Verwaltung und Geschäftsführung der Gerichte, doch muss er zumindest in der Lage sein, Stellungnahmen über die Mindestgesamthaushaltsmittel, die für die Rechtspflege erforderlich sind, abzugeben und den Bedarf hierfür anzugeben, um diesen Finanzrahmen zu rechtfertigen.

74. Dem CCJE zufolge sind die Gerichte nur wirklich unabhängig, wenn sie über einen eigenen Haushalt verfügen, der von einer Stelle verwaltet wird, die unabhängig von der Exekuti ve oder Legislative ist, wobei dies ein Justizverwaltungsrat oder ein unabhängiges Organ sein kann.

75. Obgleich einige Staaten der Meinung sind, dass das Justizministerium am besten in der Lage ist, den Haushalt der Gerichte mit den anderen Gewalten, insbesondere dem Finanzministerium, aufzustellen, vertritt der CCJE die Auffassung, dass ein System, bei dem der Justizverwaltungsrat über weitreichende Finanzbefugnisse verfügt, ein System darstellt, das die Staaten, in denen dies derzeit nicht der Fall ist, ernsthaft erwägen müssen. Es ist zu betonen, dass weitreichende finanzielle Befugnisse, die dem Justizverwaltungsrat übertragen werden, die Notwendigkeit mit sich bringen, nicht nur gegenüber der Exekutive und der Legislative, sondern auch gegenüber den Gerichten und der Öffentlichkeit Rechenschaft abzulegen.

V. F. Die Verwaltung und Geschäftsführung der Gerichte

76. Die Festlegung der Bedingungen für die Zuweisung der Haushaltsmittel an die verschiedenen Gerichte und die Bestimmung der Stelle, die dafür zuständig ist, die Effektivität der Gerichte zu untersuchen und darüber zu berichten, stellen heikle Fragen dar. Nach Auffassung des CCJE sollte der Justizverwaltungsrat über Befugnisse auf diesem Gebiet verfügen.

77. Der Justizverwaltungsrat sollte im Bereich des Leistungsmanagements keine Befugnisse hinsichtlich einzelner Richter haben.

78. Der CCJE ist der Meinung, dass die Förderung der Qualität der Justiz einen Bereich darstellt, in dem der Justizverwaltungsrat einen positiven Beitrag leisten kann. Neben der Entwicklung von Maßnahmen auf diesem Gebiet sollte darauf geachtet werden, dass den Gerichten genügend Mittel zur Verfügung stehen, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommen können. In einigen Staaten sind Systeme geschaffen worden, um Rechenschaft über die Qualität der Justiz abzulegen und diese zu bewerten; wichtig ist, den Ergebnissen dieser Entwicklungen Rechnung zu tragen. Bei der Schaffung von Maßnahmen hinsichtlich der Qualität und deren Bewertung ist es wichtig, dass der Justizverwaltungsrat die Möglichkeit hat, von den Gerichten maßgebliche Daten und Statistiken zu erhalten.

79. Der Justizverwaltungsrat sollte die Organisation der Inspektionsdienste überwachen, damit diese mit der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar sind. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn die Inspektionsdienste zur Exekutive gehören.

V. G. Der Schutz des Ansehens der Justiz

80. In seiner Stellungnahme Nr. 7(2005) empfiehlt der CCJE, dass die jeweilige Justiz der europäischen Länder und die Staaten global Programme schaffen, die nicht nur darauf abzielen, die Öffentlichkeit über die Justiz zu informieren, sondern auch darauf, ihr ein treffenderes Bild von der Rolle des Richters in der Gesellschaft zu vermitteln. Der CCJE ist der Meinung, dass die Gerichte selbst als Organ anerkannt werden sollten, das geeignet ist, Programme zu erstellen, die das Verständnis und das Vertrauen der Gesellschaft hinsichtlich ihres Rechtssystems verbessern sollen. Daneben sollte die Koordinierung der verschiedenen örtlichen Initiativen und ebenso die Förderung von „Beratungsprogrammen“ auf nationaler Ebene dem Justizverwaltungsrat übertragen werden, der mit der Unterstützung von mit der Praxis vertrauten Fachleuten auch dem anspruchsvolleren Informationsbedarf gerecht werden kann.

81. Der CCJE erwähnt ebenfalls in seiner Stellungnahme Nr. 7(2005) die Rolle eines unabhängigen Organs das durchaus der Justizverwaltungsrat oder einer seiner Ausschüsse, erforderlichenfalls unterstützt von Medienfachkräften, sein könnte bei der Lösung der Schwierigkeiten, die durch die Berichterstattung über Rechtssachen durch die Medien hervorgerufen werden oder denen Journalisten bei der Erledigung ihrer Arbeit begegnen.

82. In derselben Stellungnahme vertritt der CCJE schließlich die Meinung, dass die involvierten Richter, wenn ein Richter oder ein Gericht von den Medien (oder durch politische Akteure oder andere Akteure der Gesellschaft mittels der Medien) herausgefordert oder angegriffen wird, nicht unter Nutzung der gleichen Kanäle reagieren sollten, sondern dass der Justizverwaltungsrat oder eine andere Justizbehörde in der Lage sein sollte, nötigenfalls rasch und wirksam auf solche Herausforderungen oder Angriffe zu reagieren.

83. Der Justizverwaltungsrat sollte nicht nur befugt sein, seine Meinung öffentlich bekanntzugeben, sondern auch alle notwendigen Schritte bei der Öffentlichkeit, den Behörden und erforderlichenfalls den Gerichten zu unternehmen, um den Ruf der Justiz und/oder ihrer An gehörigen zu verteidigen.

84. Der Justizverwaltungsrat könnte auch das Organ sein, das geeignet ist, bei dem Schutz und der Förderung des Ansehens der Justiz eine umfassendere Rolle zu spielen, wobei diese Rolle auch beinhaltet, ein Gleichgewicht zwischen einerseits den in Konflikt stehenden Rechten und Freiheiten, den sozialen und politischen Akteuren und den Medien und andererseits dem Interesse der Öffentlichkeit an einer unabhängigen und wirksamen Rechtspflege zu finden.

85. In diesem Rahmen könnte der Justizverwaltungsrat auch die Beschwerden der Rechtsu chenden behandeln (siehe auch Randnummer 64).

86. Der CCJE empfiehlt, dass der Justizverwaltungsrat diese Aufgabe wahrnimmt, indem er die Dienste aller notwendigen Fachleute in Anspruch nimmt; daher sollte sich das Personal des Rates für das Justizwesen nicht allein auf Juristen beschränken, sondern auch Journalisten, Sozialwissenschaftler, Statistiker, usw. umfassen.

V. H. Die Möglichkeit zur Stellungnahme gegenüber den anderen staatlichen Gewalten

87. Jeder Textentwurf in Bezug auf die Rechtsstellung der Richter, die Rechtspflege, das Verfahrensrecht und im Allgemeinen jeder Textentwurf, der Einfluss auf die Judikative und insbesondere die Unabhängigkeit der Richter haben oder zu einer Verringerung der Garantien für den Zugang der Bürger (einschließlich der Richter selbst) zum Recht führen kann, sollte vor der Beratung im Parlament unbedingt dem Justizverwaltungsrat zur Stellungnahme vorgelegt werden. Diese Beratungsfunktion sollte von allen Staaten zugelassen und vom Europarat in Form von Empfehlungen verankert werden.

V. I. Die Zusammenarbeit mit anderen Stellen auf nationaler, europäischer und interna tionaler Ebene

88. Der CCJE weist darauf hin, dass die Aufgaben des Rates für das Justizwesen in einigen Staaten zwischen mehreren Stellen aufgeteilt sind. Die Vielfalt der nationalen Regelungen wird dadurch komplizierter, dass in einigen Bereichen, z.B. dem Ausbildungsbereich, bisweilen eine einzige Institution zuständig ist, während in anderen die Zuständigkeit zwischen mehreren Institutionen aufgeteilt ist. Im derzeitigen Stand ist es nicht die Aufgabe des CCJE, sich zu einer optimalen Regelung für die Beziehungen zwischen den verschiedenen Stellen zu äußern. Der CCJE ist sich zwar der wichtigen Rolle der Rechtskultur eines jeden Staates hierbei bewusst, beabsichtigt aber dennoch zu empfehlen, unter der Federführung des Rates für das Justizwesen Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zu schaffen, um die reibungslose Erledigung der zwischen dem Rat und anderen Stellen aufgeteilten Aufgaben sicherzustellen. Dieser Prozess kann auch die institutionelle Entwicklung der Organe hin zu einer fortschreitenden Vereinheitlichung (beispielsweise im Ausbildungsbereich) fördern. Dies betrifft auch die Zusammenarbeit mit den Räten für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Eine Zusammenarbeit mit den Räten für die Staatsanwälte, sofern derartige gesonderte Instanzen bestehen, könnte ebenfalls angebracht sein.

89. Der CCJE unterstreicht auch die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den Räten für das Justizwesen auf europäischer und internationaler Ebene in allen Bereichen, in denen diese Räte auf nationaler Ebene tätig sind.

90. Der CCJE stellt fest, dass die Tätigkeiten des europäischen Netzes der Räte für das Justizwesen, das bei der Zusammenarbeit zwischen den Räten für das Justizwesen eine allgemeine Rolle spielt, und die Tätigkeiten des LissabonNetzwerkes und des Europäischen Netzwerkes für die Aus und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten, die beide für die Aus und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten zuständig sind, anzuerkennen und zu unterstützen sind. Diese Netzwerke sind in der Tat wichtige Ansprechpartner für den CCJE geworden.

VI. DER JUSTIZVERWALTUNGSRAT: SEINE AUFGABE IST ES, DER JUSTIZ ZU ERMÖGLICHEN, RECHENSCHAFT ABZULEGEN UND TRANSPARENT ZU SEIN

91. Angesichts der Bedeutung der erwarteten Einbindung des Rates für das Justizwesen in die Verwaltung der Justiz ist es angebracht, die Transparenz der Tätigkeit dieses Rates zu sicherzustellen. Diese Transparenz ist eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen, das die Bürger in die Rechtspflege haben müssen, und ein Schutz vor der Gefahr politischer Einflussnahme und dem Versuch einseitiger berufsständischer Interessenvertretung.

92. Alle Entscheidungen des Rates für das Justizwesen über die Ernennung, Beförderung, Bewertung, Disziplin und alle anderen Entscheidungen über die Laufbahn der Richter bedürfen einer Begründung (siehe auch Randnummer 39).

93. Wie bereits erwähnt wurde, wird die Transparenz in Bezug auf die Ernennung und Beförderung der Richter dadurch gewährleistet, dass die Ernennungskriterien veröffentlicht und die Stellenausschreibungen verbreitet werden. Alle Interessenten sollten die getroffene Wahl prüfen und die Anwendung der Regeln für die leistungsbezogene Auswahl durch den Justizverwaltungsrat sowie alle Ernennungs oder Beförderungsentscheidungen überprüfen können.

94. Besitzt der Justizverwaltungsrat Haushaltsbefugnisse, muss er logischerweise bei der Parlamentarischen Versammlung, die den Justizhaushalt verabschiedet hat, über die Verwendung der Gelder Rechenschaft ablegen, und unterliegt, sofern es einen solchen gibt, der Kontrolle des Rechnungshofes, der die Verwendung der öffentlichen Gelder überwacht.

95. Besitzt der Justizverwaltungsrat disziplinarrechtliche Befugnisse müssen die Richter, gegen die ein Disziplinarverfahren geführt wird, genau über die Umstände unterrichtet werden, die der Entscheidung zu Grunde liegen, um gegebenenfalls für sich zu entscheiden, ob sie die Entscheidung anfechten (siehe Randnummer 39). Der Justizverwaltungsrat kann ferner die Veröffentlichung der getroffenen formellen und rechtskräftigen Entscheidungen in Betracht ziehen, um nicht nur alle Richter und Staatsanwälte, sondern auch die Öffentlichkeit über die Bedingungen zu informieren, unter denen die Justiz zu verwalten ist, und um zu verdeutlichen, dass die Richter und Staatsanwälte nicht versuchen, die strafbaren Handlungen einiger ihrer Mitglieder zu vertuschen.

96. Der Justizverwaltungsrat sollte einen periodischen Tätigkeitsbericht veröffentlichen, der einerseits den Inhalt seiner Tätigkeiten und die aufgetretenen Schwierigkeiten bekanntgeben, und andererseits die Maßnahmen vorschlagen soll, die geeignet sind, im Interesse der Rechtsuchenden die Rechtspflege zu verbessern. Die Veröffentlichung dieses Berichts kann mit Pressekonferenzen mit Journalisten, Arbeitstagungen mit Richtern und Ansprechpartnern der Justiz einhergehen, die den Informationsfluss verbessern und den Austausch innerhalb der Justiz fördern können.

ZUSAMMENFASSUNG DER EMPFEHLUNGEN UND SCHLUSSFOLGERUNGEN

In seiner Stellungnahme Nr. 10(2007) mit der Überschrift „Der Justizverwaltungsrat im Dienst der Gesellschaft“ empfiehlt der CCJE Folgendes:

A. Im Allgemeinen

a) Es ist wichtig, in den Staaten ein besonderes Organ, beispielsweise den Justizverwaltungsrat, zu schaffen, das die richterliche Unabhängigkeit als unabdingbaren Bestandteil des Rechtsstaats garantiert und den Grundsatz der Gewaltenteilung beachtet.

b) Der Justizverwaltungsrat muss die Unabhängigkeit sowohl des Rechtssystems als auch eines jeden Richters schützen und gleichzeitig die Effektivität und Qualität der Justiz nach Artikel 6 der Menschenrechtskonvention gewährleisten, um das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Justiz zu stärken.

c) Der Justizverwaltungsrat sollte vor der Gefahr, dass seine Eigenständigkeit durch die Legislative und die Exekutive eingeschränkt wird, dadurch geschützt sein, dass er in auf Verfassungs- oder gleichwertiger Ebene verankert wird.

B. Die Zusammensetzung des Rates für das Justizwesen

a) Um eine einseitige berufsständische Interessenvertretung zu vermeiden und die verschiedenen Meinungsströmungen der Gesellschaft widerzuspiegeln, wird eine gemischte Zusammensetzung des Rates für das Justizwesen für sinnvoll erachtet, die eine deutliche Mehrheit an Richtern umfasst, selbst wenn bestimmte Aufgaben einem ausschließlich aus Richtern bestehenden Gremium vorbehalten sein können. Der Justizverwaltungsrat kann sich auch ausschließlich aus Richtern zusammensetzen.

b) Die Ernennung der (richterlichen oder nichtrichterlichen) Mitglieder soll anhand ihrer Kompetenz, ihrer Erfahrung, ihres Verständnisses vom Gerichtsalltag und ihres Umgangs mit der Unabhängigkeit erfolgen; politisch Verantwortliche oder Angehörige der Exekutive oder Legislative sollten hierbei ausgeschlossen sein.

c) Die richterlichen Mitglieder sollten von ihren Amtskollegen ohne Einmischung poli tischer Stellen oder ranghöherer Juristen durch Verfahren gewählt werden, die eine größtmögliche Vertretung des Justizsystems garantieren; erfolgt die Auswahl durch unmittelbare Wahl, sollte der Justizverwaltungsrat Regeln aufstellen, die alle Beein trächtigungen des Vertrauens der Rechtsuchenden in die Justiz verringern sollen.

d) Die nichtrichterlichen Mitglieder, die unter Umständen juristische Erfahrung haben, sollten von nicht politischen Organen ernannt werden; sollten sie dennoch vom Parlament gewählt werden, sollten sie nicht Mitglied des Parlaments sein, mit qualifizierter Mehrheit gewählt werden, die eine maßgebliche Unterstützung der Opposition erfordert, und im Rahmen der Zusammensetzung des Rates für das Justizwesen insgesamt einen repräsentativen Querschnitt der Gesellschaft bilden.

B. Die Arbeitsweise des Rates für das Justizwesen

a) Die Amtszeiten der Mitglieder könnten eine Vollzeittätigkeit erfordern, die jedoch hinsichtlich ihrer Zahl und Dauer beschränkt werden könnte, um den Kontakt mit der Rechtsprechungspraxis aufrechtzuerhalten; den (richterlichen oder nichtrichterlichen) Mitgliedern sollten Garantien in Bezug auf ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zuerkannt werden.

b) Der Justizverwaltungsrat sollte seinen eigenen Haushalt verwalten und über ange messene Finanzmittel verfügen, die ihm eine optimale und eigenständige Arbeitsweise ermöglichen.

c) Bestimmte Entscheidungen des Rates für das Justizwesen bedürfen einer Begründung und sollen bindend, jedoch rechtsmittelfähig sein.

d) Die Transparenz der Arbeit des Rates für das Justizwesen sollte eine wesentliche Voraussetzung für das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Justiz sein; der Rat soll über seine Tätigkeiten insbesondere durch einen periodischen Tätigkeitsbericht Rechenschaft ablegen, der auch Vorschläge für Verbesserungen im Hinblick auf die Rechtspflege enthalten soll.

D. Die Befugnisse des Rates für das Justizwesen

a) Das Spektrum der Aufgaben des Rates für das Justizwesen sollte breit gefächert sein und ihm ermöglichen, die richterliche Unabhängigkeit und die Effektivität der Justiz zu schützen und zu fördern; der Rat sollte auch sicherstellen, dass Interessenkonflikte bei der Erledigung dieser verschiedenen Aufgaben vermieden werden.

b) Die Auswahl, Ernennung und Beförderung der Richter sollte vorzugsweise in die Zuständigkeit des Rates für das Justizwesen fallen, völlig unabhängig von der Legislative oder Exekutive und insbesondere im Hinblick auf die Kriterien zur Auswahl der Richter völlig transparent erfolgen.

c) Der Justizverwaltungsrat sollte sich aktiv an der Arbeit zur Bewertung der Qualität der Justiz und der Umsetzung der Verfahren beteiligen, welche die Effektivität der richterlichen Arbeit gewährleisten sollen, ohne jedoch an die Stelle der für die individuelle Beurteilung der Richter zuständige Justizbehörde zu treten.

d) Der Justizverwaltungsrat könnte die für die Standesregeln zuständige Instanz sein; er kann ferner die Beschwerden der Rechtsuchenden entgegennehmen.

e) Der Justizverwaltungsrat könnte die mit der Organisation und Überwachung der Ausbildung betraute Stelle sein, selbst wenn die Gestaltung und Umsetzung der Ausbildungsprogramme einem Ausbildungszentrum obliegt, mit dem er zusammenarbeiten soll, um die Qualität der Grund und Weiterbildung der Richter zu gewährleisten.

f) Der Justizverwaltungsrat könnte umfassende Haushaltsbefugnisse hinsichtlich der Aufstellung und Verwaltung des Justizhaushaltes sowie Befugnisse in Bezug auf die Verwaltung und Geschäftsführung der Gerichte zwecks Verbesserung der Qualität der Justiz haben.

g) Der Justizverwaltungsrat könnte das Organ sein, das in der Lage ist, beim Schutz und bei der Förderung des Ansehens der Justiz eine umfassendere Rolle zu spielen. h) Jeder Textentwurf, der einen Einfluss auf die Judikative und die Unabhängigkeit der Richter oder die Garantie für den Zugang der Bürger zur Justiz haben kann, sollte vor der Beratung im Parlament unbedingt dem Justizverwaltungsrat zur Stellungnahme vorgelegt werden.

i) Die Zusammenarbeit zwischen den Räten für das Justizwesen auf europäischer und internationaler Ebene sollte gefördert werden.

1.  Diese Formulierung wurde bereits vom Europäischen Netz der Räte für das Justizwesen (RECJ) benutzt.

2.  Angenommen vom Ministerkomitee bei seiner 740. Sitzung, Dokument CCJE(2001)24.

3.  Eine eingehende Schilderung der Situation in den Mitgliedstaaten enthalten die Expertenbe richte (s. Rdnr. 7) und die nationalen Antworten zum Fragebogen, die auf der CCJE Internetseite (www.coe.intlccie verfügbar sind.

4.  Einige Räte sind nicht nur für die Wahrung der Unabhängigkeit von Richtern zuständig, sondern auch für Staatsanwälte. Der CCJE hat sich entsprechend seiner allgemeinen Aufgabenstellung dafür entschieden, sich auf die Rolle des Rates für das Justizwesen gegenüber Richtern zu konzentrieren. Dies steht einer Umsetzung dieser Stellungnahme auf gemeinsame Räte für Richter und Staatsanwälte nicht entgegen, soweit jedenfalls Richter betroffen sind. Etwaige Themen in Bezug auf Staatsanwälte werden in dieser Stellungnahme nicht behandelt. Diese könnten später erörtert werden, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem Beirat europäischer Staatsanwälte (CCPE).

5.  Insbesondere Grundsatz I Abs. 2 Buchstabe c und Grundsatz VI Abs. 3.

6.  Siehe Dokument CDLAD(2007)028.

7.  Dieser Grundsatz wurde bereits in der Stellungnahme Nr. 1(2001) des CCJE dargelegt.

8.  Siehe die Empfehlung Nr. R(94)12.

9.  Der CCJE hat sich an dieser Stelle nicht mit der Frage eines sowohl aus Richtern als auch Staatsanwälten gebildeten Rates für das Justizwesen befasst siehe ebenfalls die Fußnote 4.

10.  Siehe auch die Europäische Charta zum Status der Richter, Grundsatz 1.3.

11.  Siehe in Bezug auf Richter, die mit Ausbildungstätigkeiten betraut sind, die Stellungnahme Nr. 4(2003) des CCJE, Rdnr. 21. 12 Siehe auch die Stellungnahme Nr. 4(2003) des CCJE

13.  Siehe auch die Stellungnahme Nr. 1(2001) des CCJE.

14.  Die Stellungnahme Nr. 6(2004) verdeutlicht, dass diese Frage nicht mit dem Thema Bewertung der beruflichen Fähigkeiten der Richter zu verwechseln und dabei die Besonderheit des richterlichen Handeln zu berücksichtigen ist, um die Gleichstellung mit einer gewöhnlichen öffentlichen Dienstleistung zu verhindern.

15.  Siehe hierzu Rdnr. 71 der Stellungnahme Nr. 3(2002) des CCJE

16.  Die Bedeutung der Ausbildung für den Erhalt und die Weiterentwicklung der beruflichen Kompetenzen der Richter wird in zahlreichen Dokumenten der Vereinten Nationen und des Europarats betont. Siehe die Stellungnahme Nr. 4(2003) des CCJE und Bericht des LissabonNetzwerkes über den Beitrag der Ausbildungsstrukturen für Richter zur konkreten Umsetzung der Stellungnahme Nr. 4(2003) des CCJE vom 10. Oktober 2006.

17.  Siehe die Stellungnahme Nr. 9(2006) des CCJE.

18.  Insbesondere das Problem der Dauer der Verfahren im Rahmen bestimmter Rechtsstreitigkeiten, die gängigsten Verletzungen der Menschenrechte, das Ausmaß der Verzögerungen bei der Behandlung der Rechtssachen, die Rechtsverletzungen, die in der Regel zur Aufhebung oder Berichtigung der Gerichtsentscheidungen führen, die Gesetzesänderungen, die rechtsfreien Räume, die eine unterschiedliche Rechtsauslegung zur Folge haben, die Notwendigkeit einer Harmonisierung der Rechtsprechung, die Disziplinarverfahren und ihre Folgen.

19.  Siehe auch die Stellungnahme Nr. 2(2001) des CCJE.

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